„Es geht nicht um Akquise, sondern um Haltung!“

Karina Hövener leitet seit 2013 die Abteilung Philanthropie von UNICEF Deutschland. In den letzten Jahren hat sie mehrere Großspenden-Programme entwickelt und ist als Expertin im Großspenden-Kurs der Fundraising-Akademie dabei. Gelernt hat sie aber etwas ganz anderes.

ngo-Dialog: Frau Hövener, Sie haben ursprünglich eine Banklehre gemacht. Wie kommt man von der Ausbildung dann zu UNICEF?

Karina Hövener: Jetzt könnte man natürlich sagen: Geld fand ich immer schon spannend, aber das stimmt gar nicht. Für mich war das damals nach dem Abitur eine solide kaufmännische Ausbildung. Ich habe aber schnell gemerkt habe, dass das Bankgeschäft nichts für mich ist. Den Bereich Werbung und Kommunikation bei der Bank fand ich viel spannender. Ich hatte mich da aber schon parallel viel ehrenamtlich engagiert und habe dann nach der Bank-Ausbildung Wirtschafts- und Sozialwesen studiert. Im Studium bin ich dann eigentlich erst aufs Fundraising gekommen. Das kannte ich damals noch gar nicht.

2009 begannen Sie bei UNICEF. Die waren damals sehr im Umbruch, investierten aber auch in das Fundraising. War das Ihre Chance?

Ja, absolut. Als ich anfing, waren wir etwa 80 Mitarbeitende bei UNICEF. Da wurde dem Großspenden-Fundraising auch nicht so eine hohe Relevanz beigemessen. Das war aber auch bei vielen anderen Organisationen damals so. 2009 hat UNICEF dann eine Stelle geschaffen, um sich die GS genauer anzuschauen, weiterzuentwickeln und nicht nur reaktiv zu betreuen. Das wurde meine Stelle. Damals betreute ich allerdings auch noch Unternehmenspartnerschaften. Bei Unternehmen gab es noch andere Kolleginnen; im Großspenden-Bereich war ich dann die Einzige. 2013 erkannte man dann, dass das Potenzial im Großspenden-Bereich viel größer ist. Auch die Ansprache ist anders als bei den Unternehmen. So konnte ich 2013 den Bereich Philanthropie bei UNICEF professionell aufbauen.

Philanthropie klingt, als wäre es was Größeres. Hat sich damit auch die Ansprache der Vermögenden verändert?

Natürlich. Denn hier geht es um was anderes, und das finde ich auch ganz, ganz, ganz wichtig und total essenziell. Es geht hier nicht um reine Akquise, sondern um eine Haltung! Wir sind keine Bittsteller, sondern wollen auf Augenhöhe mit den Menschen kommunizieren.

Bei vermögenden Menschen ist in den letzten Jahren das Bewusstsein für die soziale Verantwortung gestiegen. Aber sie suchen auch Partner, mit denen sie zusammenarbeiten und auf die sie sich verlassen können. Hier geht es um Beratung und gute Gespräche, um Vertrauen. 2013 haben wir auch fast schon aufgehört, im Großspenden-Bereich Mailings zu machen. Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass dies auch sinnvoll sein kann, aber doch mehr in dem Übergangssegment auf dem Weg zur Großspenderin oder dem Großspender. Mailings binden halt auch unglaublich viele Ressourcen, die man besser in die individuelle Kontaktpflege investiert.

Individualität heißt natürlich auch, dass man die Bedürfnisse seines Gegenübers auch besser wahrnehmen muss. Das heißt aber auch Investitionen in Personal.

Deshalb haben wir in den letzten Jahren auch unser Team ausgebaut. Haltung heißt für uns, genau nach diesen Bedürfnissen zu schauen und auch die Werte desjenigen, der sich da an uns wendet, zu kennen. Wenn jemand kommt und ganz genaue Vorstellungen von seinem Engagement hat, ist das natürlich toll. Aber wir fragen auch, warum jemand das möchte. Wir wollen verstehen was die Werte sind, die jemanden antreiben. Was ist die Motivation dahinter? Unser Anspruch ist eine wertebasierte Kommunikation. Wir schauen also, wo die Schnittmengen sind. Wenn ich weiß, welche Werte jemand hat und welche Motivation sich zu engagieren, dann kann ich ihr oder ihm auch ganz anders begegnen.

Sie sagen, die soziale Verantwortung sei bei den Vermögenden gewachsen. Wie macht sich das bemerkbar?

Diese Veränderung stellen wir seit einigen Jahren fest. Durch Corona hat sich das sogar noch mal intensiviert. Wir stellen fest, dass Großspenderinnen und Großspender viel mehr in die Tiefe gehen, was die Programme angeht, sich wirklich viel mehr mit den Inhalten beschäftigen, viel offener darüber sprechen, warum sie sich engagieren.

Es ist ja auch mehr Geld da, das muss man ja ehrlicherweise auch sagen.

Ich sage mal so: Geld war schon immer da, aber die Bereitschaft, es für Veränderungen einzusetzen, ist gestiegen. Wir merken zum Beispiel, dass sich viele Menschen vermehrt auch gemeinsam engagieren wollen. Also, wir haben einen schon etablierten Giving Circle „Club 48,3“ wo sich Menschen mit Beiträgen ab 10.000 Euro für Mädchenförderung einsetzen. Oder wir haben auch eine internationale Plattform, den International Council von UNICEF für die sehr engagierten Philanthropen aus aller Welt. Die Menschen kommen gerne zu diesen Treffen, die mittlerweile relativ groß geworden sind. Und dann gibt es das jüngste Familienmitglied bei uns: „NextGen“, für die 20- bis 40-Jährigen, also die nächste Philanthropie-Generation.

Sind die völlig anders als die alten Mäzene?

Ja, die sind jünger und sind sich im Gegensatz zu den älteren Mäzenen ihrer Verantwortung schon viel früher bewusst. Die jetzigen 30-Jährigen sind da nicht vergleichbar mit ihren Eltern in dem Alter, weil für sie gesellschaftlich ganz andere Themen relevant sind. Sie sprechen häufig auch viel offener über ihr Engagement. Sie beschäftigen sich viel mehr mit globalen Fragen, während die ältere Generation sich beispielsweise auf das Sponsoring der Fußballtrikots für die Mannschaft vor Ort beschränkt hat, weil das dann auch seine Mitarbeiter gesehen haben. Sowas würde „NextGen“ nicht reichen. Die wissen Sponsoring und Philanthropie klar zu trennen. Und na klar bekommen die Fußballmannschaften im Umfeld des Unternehmens weiterhin Unterstützung. Die jungen Menschen sind sich einfach darüber klarer, dass Sie global was machen müssen, denn das sind die Themen, die uns alle betreffen.

Die Jüngeren haben also ein anderes Problembewusstsein?

Ja, und sie haben auch den Mut, sich dafür Partner zu suchen. Die Älteren bauen lieber eine eigene Stiftung auf, um alles unter Kontrolle zu haben. Ich kann auch verstehen, das viele lieber was vor der eigenen Haustür machen. Es ist auch völlig legitim, nur in Deutschland aktiv sein. Hauptsache, jemand ist engagiert. Diese jüngere Generation, die aber bei uns auftaucht, denkt da anders. Die sagen: ‘Das reicht nicht. Wir leben in einer globalen Welt und wir sind eigentlich diejenigen, die etwas daran ändern müssen, dass es allen besser geht‘.

Demnächst geben Sie Ihr Wissen als Expertin in einem Kurs an der Fundraising Akademie zum Thema Großspenden weiter. Was wollen Sie da vermitteln?

Inhaltlich werde ich über das Management von Großspenden-Programmen sprechen, wie man diese systematisch auf- und ausbaut. Außerdem geht es mir darum, die bereits angesprochene Haltung gegenüber den Vermögenden einzunehmen. Wir als NGO leisten einiges für eine erfolgreiche Partnerschaft. Wir müssen uns nicht verstecken. Dafür müssen wir auf Augenhöhe sprechen, zuhören und die passenden Fragen stellen. Das Thema Gesprächsführung übernimmt dann eher Andreas Schiemenz als Kursleiter. Ich werde auch Fragen beantworten, wie man eigentlich ein gutes Prospect Research macht, und wie man sich auch als Team organisiert.

Bildquellen

  • Karina Hövener: Elisabeth Sachse-Grimm
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