„Die Fundraising Akademie ist eine Erfolgsgeschichte“

Dr. Volker Then, geschäftsführender Direktor des Centre for Social Investment an der Universität Heidelberg, ist der Fundraising Akademie schon lange verbunden, aktuell als Leiter der Prüfungskommission. Wir sprachen mit ihm über das Jubiläum der Akademie, Wirkungsmessung und Lobbyarbeit für den Dritten Sektor.

NGO-Dialog: Vor 20 Jahren hielten Sie die Eröffnungsrede zur Gründung der Fundraising Akademie. Wie kam es dazu?

Dr. Volker Then: Ich war damals bei der Bertelsmann Stiftung für den Bereich Stiftungswesen verantwortlich, einer Abteilung, die sich mit der Förderung des Engagements und Stiftens beschäftigte. Schlussendlich ging es also um private Beiträge für die Zivilgesellschaft, und das fanden die Gründerinnen und Gründer der Akademie wohl ganz passend. Viele Institutionen, Netzwerke und Forschungseinrichtungen, die wir heute in der Zivilgesellschaft kennen, gab es ja damals auch noch nicht.


NGO-Dialog: Wissen Sie noch welche Empfehlungen Sie der Akademie mit auf den Weg gegeben haben?

Dr. Volker Then: Das müsste ich, ehrlich gestanden, nachschlagen, aber ich glaube, dass ich über ein Szenario gesprochen habe, das ich später auch auf einer Akademieveranstaltung anlässlich der Geburtstagsfeier von Lothar Schulz, der ja zur Gründergeneration des Akademie gehört, wiederholte: Spenden und Geben stärker unter dem Blickwinkel der Investition zu betrachten. Nicht wirtschaftlich, sondern eher, dass die, welche ihre Beiträge geben, damit wirklich etwas erreichen und Probleme lösen wollen. Die Geberinnen und Geber haben also auch ein Interesse an Wirksamkeit, und das ist ein Punkt für die Professionalität des Fundraisings auch in den nächsten Jahren. Das sehe ich bis heute bestätigt.

Menschen wollen im dritten Sektor gestalten

NGO-Dialog: Das ist insofern interessant, weil wir ja heute immer noch diskutieren, wie viel Einfluss die Spenderinnen und Spender haben dürfen und nicht müssen.

Dr. Volker Then: In gewisser Weise ja. Das Missverständnis liegt gerade darin, dass gemeinnützige Organisationen natürlich die Freiheit haben, sich ihre Aufgabe selbst auszusuchen und sich den aus ihrer Sicht wichtigen gesellschaftlichen Themen anzunehmen. Aber als gemeinnützige Organisation bin ich auch ein Treuhänder, denn ich erreiche die Ziele ja nicht alleine, sondern nur gemeinsam mit den Freiwilligen, die mir Zeit oder auch Spenden zur Verfügung stellen. Es geht also nicht ums Einmischen, sondern darum, dass ich mich als Leitung einer Organisation immer wieder fragen lassen muss: Handle ich so in meinem gemeinnützigen Anliegen, dass es den Problembedarf der Gesellschaft an der Stelle wirklich trifft? Das ist eine legitime Fragestellung, die man aus Treuhändersicht sofort anders beantwortet.

NGO-Dialog: Das betrifft auch die von Ihnen bereits vor 20 Jahren angesprochene Diskussion der Wirkung gemeinnütziger Organisationen.

Dr. Volker Then: Richtig, das ist sicher jetzt sehr aktuell. Manche Kollegen meinen ja sogar, dass das in wenigen Jahren wieder vorüber ist. Ich glaube das nicht. Denn egal, welche Studien zu den Wertvorstellungen der Geberinnen und Geber, in denen zu den Spendenmotiven gefragt wurde, ich mir anschaue, ob Freiwilligensurvey, die Stifterstudien oder andere empirische Erhebungen, finden sie dort den konkreten Gestaltungswillen dieser Menschen, an der Lösung von Problemen mitzuwirken. Und wenn das die Triebfeder ist, dann wird das Interesse daran, ob beim Spenden auch etwas Sinnvolles herauskommt, sicher nicht einfach wieder aufhören.

Wirkung heißt Ziele ernsthaft anzusteuern

NGO-Dialog: Die Argumente gegen das Thema Wirksamkeitsanalyse in NGOs sind meist: Es fehlt an Zeit und Geld. Oft hört man: Lohnt sich das denn? Wie würden Sie die Frage beantworten?

Dr. Volker Then: Da wir selbst Wirksamkeitsanalysen am CSI-Forschungsinstitut in Heidelberg durchführen, kenne ich diese Frage natürlich auch. Ich glaube, man sollte das ersthafte Interesse nach guten Wegen zu suchen, wie man Wirkung aufzeigen kann, nicht mit einem Haufen Datenarbeit gleichsetzen. Damit muss man nicht beginnen, das kann viel niederschwelliger sein. Nämlich mit der ernsthaften Überlegung: Was habe ich denn eigentlich für Grundannahmen bei meiner alltäglichen Arbeit? Warum mache ich also bestimmte Aktivitäten, und was erwarte ich mir davon? Habe ich dabei die Problemlage im Blick, die wir als Organisation lösen wollen? Das zu durchdenken ist der erste Schritt.


NGO-Dialog: Es ist also eine Strategiefrage?

Dr. Volker Then: Ja, und eine, die im Team gelöst werden muss, vielleicht sogar gemeinsam mit externen Stakeholdern, mit denen man gut verbunden ist. Schon im Alltag sieht man dann Kriterien, anhand derer man seine Tätigkeit prüft, ob diese richtig wirkt oder ob man Irritationen wahrnimmt, wo unsere Annahmen irgendwie erschüttert werden. Das geht natürlich auch empirisch mit hohem Anspruch, aber eben auch in Selbstreflexion und ernsthafter Debatte.

Effektiven Altruismus halte ich so für gefährlich

NGO-Dialog: Was halten Sie in diesem Zusammenhang von effektivem Altruismus? Wird Wirkung hier nicht zu stark ökonomisiert?

Dr. Volker Then: Sie haben das Problem in der Frage schon angedeutet. Es ist das Risiko, dass der effektive Altruismus in einer ökonomischen Verkürzung nur im Sinne eines wirtschaftlichen Effizienzdenkens gebraucht wird. Das halte ich, ehrlich gestanden, für gefährlich. Wirkung ist mehr. Wirkung ist häufig, wenn sich Wertvorstellungen in sozialen Gruppen verändern; wenn sich Sozialkapital im Stadtteil gebildet hat und so Netzwerke und Alltagsbeziehungen der Leute tragen, wenn es um konkrete Probleme geht, wenn bisher Benachteiligte plötzlich am Leben teilnehmen können. Das misst man alles nicht in Geld und auch nicht so leicht in Effizienzkategorien. Ich plädiere, beim Thema Wirkung stärker auf die pluralistische Vielfalt unserer Satzungsziele zu blicken. Wirkung ist mehr als Betriebswirtschaft! Eine breite Wirkungsdebatte verlangt da mehr als nur den Blick aufs Geld.


NGO-Dialog: Auch beim Thema Fundraising erwarten Spenderinnen und Spender mehr Transparenz. Gibt es Entwicklungen, die Sie noch sehen, auf die wir uns vorbereiten müssen?

Dr. Volker Then: Bei der Frage der Beteiligung der Geberinnen und Geber sehe ich noch Entwicklung nach oben. Das ist ja nicht das Lesen von Wirkungsberichten, sondern wie man Menschen die Chance gibt, sich mit ihren Wertvorstellungen einzubringen. Nur so können sich diese Menschen mit den Zielen der Organisation identifizieren. Das können Debatten oder auch Projektbesuche sein. Wir wissen aus den Motivstudien, dass solche Geber auch nach positiven Erlebnissen suchen, eventuell einem Bildungsgewinn, oder einer Erfahrung, die als sehr befriedigend oder menschlich sehr bereichernd wahrgenommen wird. Diese Chance, an der Organisation teilzuhaben, das wird zunehmen. Auch weil sich die jüngere Spenderzielgruppe nicht mehr mit Briefen und Korrespondenz zufriedengeben wird.


NGO-Dialog: Wie sehen Sie die wissenschaftliche Erforschung des Dritten Sektors in Deutschland?

Dr. Volker Then: Für einen Wissenschaftler eine schwere Frage, aber wenn ich 20 Jahre zurückblicke, dann gibt es mittlerweile eine Reihe von Erkenntnissen und belegbare Entwicklungen. Wir wissen, glaube ich, schon sehr viel mehr Bescheid über die Wirkung des Dritten Sektors auf die gesellschaftliche Problemlösung.

Der dritte Sektor wird nicht genug wahrgenommen

NGO-Dialog: Aber trotzdem hat man gerade jetzt wieder das Gefühl, der Dritte Sektor ist das fünfte Rad am Wagen. Richtig wichtig oder wie man gerade sagt, systemrelevant, scheinen wir nicht. Woran liegt das?

Dr. Volker Then: Das hängt, glaube ich, damit zusammen, dass wir immer noch ein Defizit in der öffentlichen und besonders der politischen Aufmerksamkeit haben, diesen Dritten Sektor als eine Einheit wahrzunehmen. Die Politik neigt gerne dazu, den Sektor in seine Teilgebiete zu zerlegen. Die Vorstellung, dass dieser Sektor eine Gemeinsamkeit hat, nämlich, dass er hilft, gesellschaftliche Probleme zu lösen und soziale Innovationen zu gestalten, das ist eine Aufgabe, an der wir alle noch arbeiten müssen.

Vor Jahren haben wir eine Studie mit dem Statistischen Bundesamt gemacht, wonach der Anteil des Dritten Sektors am Bruttoinlandsprodukt bei 4,1 Prozent liegt. Das ist exakt die Größe der deutschen Autoindustrie. Bei der Autoindustrie zögert kein Politiker, sofort von größter Bedeutung zu sprechen, aber der Dritte Sektor hat in seiner Gesamtheit genau dieselbe Dimension, und das ist leider unbekannt. Ich erinnere mich an eine Diskussion mit dem Bundeswirtschaftsministerium, Abteilung Mittelstand, das der Meinung war, für Themen wie Sozialunternehmertum vielleicht nicht zuständig zu sein. Ich konterte das mit dem Verweis auf die 4,1 Prozent Bruttosozialprodukt. Bei der Autoindustrie würden sie das ja keine Sekunde bezweifeln. Sie wollten dann nochmal in sich gehen. Möglicherweise sind die da noch nicht ganz wieder rausgekommen.

Impact Investing ist keine Randerscheinung mehr

NGO-Dialog: Das sehen wir wahrscheinlich auch daran, dass es noch keine Unternehmensform wie das britische Social Enterprise für soziales Unternehmertum in Deutschland gibt.

Dr. Volker Then: Richtig. Selbst Russland hat eine solche Rechtsform letztes Jahr entwickelt. Aber wollen wir in eine jahrelange Rechtsdiskussion, insbesondere über den steuerrechtlichen Status, eintreten oder lieber handeln? Viele Akteure versuchen doch bereits mit den vorhandenen Mitteln kreativ voranzugehen und Lösungen zu gestalten.

Aktuell arbeiten wir gerade an einer Studie über Impact Investing. Also wer investiert eigentlich in diesen Sektor? Im Mai werden wir dazu gemeinsam mit der Bundesinitiative Impact Investing die Ergebnisse veröffentlichen, aber ich kann Ihnen sagen, dass es keine Randerscheinung mehr ist. Das Volumen ist größer als wir denken. Aber wichtiger ist jetzt, dass die gesellschaftlichen Akteure an einem Strang ziehen. Wir arbeiten alle gemeinsam, ob wirtschaftlich oder gemeinnützig oder in ganz anderer Form an gesellschaftlichen Aufgaben, und dies wird nur dann mehr politisches Gewicht finden, wenn wir das für alle gemeinsam vertreten. Dann sind wir die 4,1 Prozent. Nicht, wenn wir das in zwölf Verbände zersplittern, von denen jeder seinen Gral hütet.


NGO-Dialog: Was würden Sie heute der Fundraising Akademie zum 20-jährigen Jubiläum wünschen?

Dr. Volker Then: Ich würde ihr wünschen, dass Sie ihre Erfolgsgeschichte fortsetzt. Sie hat sich als professionelle Bildungsinstanz für Fundraiserinnen und Fundraiser etabliert. Wenn Führungspositionen in Organisationen heute besetzt werden, dann gern mit Absolventinnen und Absolventen der Fundraising Akademie. Es ist eben kein Hobby mehr, sondern etablierter Beruf. Gleichzeitig hat sie auch das wirtschaftliche Fundament für diese Ausbildung geschaffen. Beides wünsche ich ihr fortzusetzen. Ich bin mir auch sicher, dass es ihr gelingt, auf die neuen Fragen der Zeit eine Antwort zu finden. Also Fragen der Digitalisierung oder der veränderten Werte- und Organisationslandschaft. Da ist es sicher hilfreich, dass die Dozierenden der Akademie immer aus der Praxis kommen. Ich wünsche der Akademie, dass sie weiterhin den Spitzenstand der Profession in Deutschland darstellt und erfolgreich weiter Fundraiserinnen und Fundraiser ausbildet.

Bildquellen

  • Interview-Dr. Volker Then: CSI Heidelberg
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