Großspenden brauchen Zeit

Monika Willich ist Diplom-Pädagogin sowie Fundraising-Managerin (FA) und seit 2005 im Nachlassfundraising tätig. Für die Dozentin der Fundraising Akademie ist das Großspendenfundraising ein spannender Bereich mit Zukunft, aber auch mit vielen Tücken.

NGO-Dialog: Großspenden scheint aktuell eines der meistdiskutierten Themen im Fundraising. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Monika Willich: Ich glaube, es gibt die Befürchtung, dass den klassischen Fundraising-Instrumenten die Luft ausgeht, insbesondere im Direktmarketing. Im Vermögensspender-Fundraising, was für mich Großspenden, Nachlässe, Zustiftungen und Treuhandstiftungen beinhaltet, sieht man die große Chance, auch, weil es immer mehr vermögende Menschen in Deutschland gibt. Allerdings gibt es auch immer mehr Menschen, die unterdurchschnittlich verdienen.

Teilen Sie den Ansatz, dass die Reichen lieber mal Steuern zahlen sollten und nicht spenden?

Das ist mir zu einfach. Ich sehe das Fundraising durchaus als Möglichkeit der sozialen Umverteilung. Das macht auch das Berufsbild der Fundraiserin oder des Fundraisers so interessant. Die Schere des Vermögens geht aber schon bedenklich weit auseinander. Die Mittelschicht wird kleiner. Viele Angestellte, auch im Non-Profit-Bereich, wissen, dass man schnell in Kurzarbeit geraten, plötzlich nur noch befristet arbeiten oder gar gekündigt werden kann. Die soziale Sicherheit wird geringer.

Welche Positionierung sollte das Thema Großspenden-Fundraising in der Organisation haben?

Wenn ich mir erfolgreiche Organisationen im Großspendenfundraising ansehe, dann sehe ich Organisationen, die vom klassischen Denken in Instrumenten weggegangen sind. Also Mitarbeiterin A macht Mailing, Mitarbeiter B Großspenden, sondern die haben ein Zielgruppenmanagement entwickelt. Das ist das eine. Auch das abteilungsübergreifende Denken ist wichtig.

Haben Sie da ein Beispiel?

Ja, ich kenne kaum eine Organisation, die, im Vertrauen auf die Qualität der Zusammenarbeit zwischen PR und Fundraising  befragt, antwortet: ‘Reibungslos, das klappt wunderbar!’ Ich höre eher: ‘Na, ja, da ist noch Potenzial nach oben. ’ Fundraising und PR gehören für mich zusammen und können gemeinsam Großes bewirken.

Reicht es also nicht, nur eine Person auf die Position für Großspendenfundraising zu setzen?

Nein. Das ist neben der Zielgruppenorientierung und dem abteilungsübergreifenden Denken die dritte Dimension der richtigen Positionierung. Man kann nicht hoffen, man stellt einen Menschen für das Thema Großspenden ein, und die oder der wird das dann schon richten. Am besten noch mit TVöD 10, also kleines Geld, befristet auf zwei Jahre. Und dann erwartet man, dass diese Person möglichst schon in der Probezeit die ersten Großspender an Land zieht. Das Thema hat aber nichts mit Angeln zu tun. Das kann so nicht funktionieren, weil es eines der langfristigsten Instrumente des Zielgruppenmanagements ist und weil es auch von der Führung verlangt, sich einzubringen. Mit Kontakten, als Türöffner und zumindest mit Rückenstärkung. Wichtig finde ich auch Augenhöhe zwischen den Vermögenden und den Fundraiserinnen und Fundraisern. Das ist nicht einfach in den Strukturen, die NGOs haben.

Ist es da eine gute Strategie, wenn man die Positionen mit Leuten besetzt, die aus der Wirtschaft kommen?

Ich sage ganz ehrlich: Ich finde das klasse, wenn Quereinsteiger aus der Wirtschaft ins Fundraising wechseln. Aber wer keinerlei NPO-Erfahrung hat, kann im Großspendenfundraising kaum überzeugen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies für beide Seiten eine Überforderung darstellt. Eine Studie in den USA und Großbritannien hat ergeben, dass langjährige NPO-Erfahrung und regelmäßige fachspezifische Weiterbildungen die Erfolge im Großspendenfundraising verbessern und die Dauer der Arbeitsverhältnisse dieser Personen verlängern.

Sie plädieren also dafür, dass man es von Anfang an richtig machen sollte.

Ja, gut qualifizierte Leute einstellen – und zwar unbefristet – vernünftig bezahlt und mit Zeit für ihre Arbeit. Außerdem mit einem Plan im Zielgruppenmanagement und mit integrierter Kommunikation. Dann klappt es. Ich stelle auch immer wieder fest, dass die meisten Fundraiserinnen und Fundraiser im Großspendenfundraising zu wenig über ihre Zielgruppen wissen. Das Alter ist da nur ein Kriterium. Da ist noch Luft nach oben. Die Menschen muss man kennen, und das erfordert viel Recherche.

Das ist aber auch ein Problem, denn eigentlich dürfen wir persönliche Vorlieben von potenziellen Mäzeninnen und Mäzenen nicht in unserer Datenbank speichern.

Das ist sicher nicht so einfach, aber es geht doch erst mal darum, diese Menschen kennenzulernen. Dann erfährt man, dass jemand gern reitet, ein anderer gern Kultururlaub in Griechenland gemacht hat. Das hört man aber erst, wenn man Vertrauen aufgebaut hat. Selbstverständlich gehört auch eine Internetrecherche vor der Ansprache dazu. In welcher Form man das dann speichert ist erst dann eine Frage der Datenschutzregeln.

Was braucht man denn noch für den Job im Großspendenfundraising?

Es ist ein Job, der zu den interessantesten gehört. Aber er benötigt unglaublich viel Ausdauer. Wer schnelle Erfolge erzielen will, der soll ins Direct Marketing oder Online-Fundraising gehen. Im Großspendenfundraising reden wir nicht von Wochen sondern Monaten. Man braucht auch ein Standing als Persönlichkeit und die Kompetenz, um auf die verschiedensten Menschen einzugehen. Es braucht durchaus psychologisches Gespür. Es kommt nämlich nicht darauf an, zu wissen wie ich mein Projekt verkaufe, sondern darauf, zu merken, was der Spender oder die Spenderin von mir möchte, damit sie oder er bereit ist, das Projekt zu unterstützen.

Da könnte man sich aber auch zu nah kommen. Wie sehen Sie das Thema Supervision?

Supervision steckt da noch in den Kinderschuhen. Zudem finde ich kollegialen Austausch sehr wichtig. Denn dieses Beziehungsmanagement ist eine heikle Sache – Supervision ist in Berufen wie Medizin oder Sozialarbeit ganz normal. Im Fundraising ist das nicht anerkannt, und das sollte sich ändern. Man kann da durchaus in schwer abschätzbare Situationen kommen.

Haben Sie ein Beispiel?

Etwa, wenn einem Geschenke aufgedrängt werden. Die darf ich schon aus tarifrechtlichen Gründen ohne Genehmigung der Leitung nicht annehmen, und außerdem begibt man sich da auf eine persönliche Ebene, die ich nicht angemessen finde.

Wie hält man den Abstand?

Ich habe beispielsweise als Großspendenfundraiserin nie Personen geduzt. Obwohl ich sehr sympathische Kontakte hatte, die mir menschlich nah waren. Auch meine private Telefonnummer ist tabu. Sonst könnte ich meinen Beruf heute nicht mehr ausüben.

Es gibt ja auch Beispiele von Übergriffigkeit, die vermögenden Menschen gar nicht so bewusst ist.

Ja, beispielsweise hat mich mal eine Großspenderin ohne mein Wissen als Bevollmächtigte ihrer Patientenverfügung eingesetzt. Das würde ich nie machen. Ich kann nicht für eine Person, die ich beruflich kenne, entscheiden, ob ihre künstliche Ernährung einzustellen ist. Das geht gar nicht!

Sie bieten gemeinsam mit zwei Kollegen einen Großspendenkurs an der Fundraising-Akademie an. Warum sollte man dabei sein?

Die gute Nachricht ist, es macht Spaß! Alle, die den Kurs bisher besucht haben, empfanden ihn als bereichernd. Wir spannen da den Bogen vom Großspenden- zum Nachlassfundraising. Meine Kollegen Bernd Beder und Dr. Christoph Mecking kümmern sich um rechtliche Fragen und die Nachlassabwicklung, ich um das Fundraising in diesen beiden Bereichen. Wir geben da viel praktische Tipps für die Implementierung in der Organisation, wir zeigen Material für die Ansprache und haben zusammengenommen enorm viel praktische Erfahrung.

Sollte man also jetzt Major-Donor-Fundraiser werden? Na klar! Dieses Personal wird gesucht, und es fehlen ausgebildete Menschen. Es werden auch noch viel mehr Stellen entstehen. Sich jetzt ausbilden zu lassen hat also Zukunft, und es ist auch eine Arbeit, die jeden Tag Freude macht und auch abwechslungsreich ist. Das finde ich ganz toll daran.

Bildquellen

  • Monica Willich: Marcus Simaitis
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