Künstliche Intelligenz hat Tendenz zum Mittelmaß

Generative KI im Fundraising, darüber sprach Andreas Schiemenz von „neues stiften“ mit Maik Meid (im Foto rechts) und Jona Hölderle, die dieses Thema in ihrem neuen Kurs an der Fundraising-Akademie anbieten.

Andreas Schiemenz: Wir wollen heute über den neuen Kurs in der Fundraising Akademie sprechen, der den wunderbaren Titel „Generative KI für die Praxis gemeinnütziger Organisationen“ hat. Was versteckt sich dahinter?

Jona Hölderle: Generative KI ist das, was die meisten wahrscheinlich jetzt gerade unter KI verstehen. Also die KI, die Bild, Text, Video oder Audio ausspuckt. Also ChatGPT, aber auch bildgebende künstliche Intelligenzen, wo man dann auf einmal ganz neue, noch nie dagewesene Bilder und Personen erschafft. Das sollte den einen oder anderen Fotografen wie Mike verrückt machen und interessieren. Also die künstlichen Intelligenzen, wofür es ein Interface gibt, die normale Menschen aktuell gerade anwenden können. Ein bisschen in Abgrenzung zu künstlichen Intelligenzen, die es auch schon seit Jahren gibt, zum Teil auch im Fundraising, wie zum Beispiel Predictive KI, also die vorhersagende künstliche Intelligenz, die einem dann zum Beispiel in der Datenbank sagt, welches Mitglied eine höhere Kündigungswahrscheinlichkeit hat oder ähnliches.

Andreas Schiemenz: Und Mike, was ist KI für dich?

Maik Meid: Ich möchte gleich da ansetzen. Zum aktuellen Zeitpunkt, muss man sagen, tut sich in dem Bereich KI ja täglich etwas. Aus meiner Sicht gibt es zu dem Thema im Alltag von gemeinnützigen Organisationen aber gar keine Expertise. Wir haben alle überhaupt keine Ahnung davon. Jona und ich haben in den letzten anderthalb Jahren viel Zeit investiert, um uns mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei geht es aber um Anwendungen. Es geht also nicht darum, tatsächlich die Algorithmen zu programmieren, mit denen sich Large Language Models und diese ganzen Datenpools mit sich selber auseinandersetzen. Was wir aber momentan brauchen, ist ein Umgang mit dem Thema in den Organisationen. Denn KI wird disruptiv Gesellschaft und Strukturen verändern. Da brauchen wir einfach Anwendungswissen, und wir müssen wissen, was das für gemeinnützige Organisationen bedeutet, was das für Strategien bedeutet, was das für Kommunikation mit Spenderinnen und Spendern bedeutet, für das gesamte Fundraising bedeutet. Und da behaupte ich eben, sind wir alle noch sehr, sehr auf einer Ebene.

Andreas Schiemenz: Und was ist nun Deine Definition künstlicher Intelligenz?

Maik Meid: Die Antwort kannst Du sehr technisch angehen oder auch soziologisch. Das Thema ist sehr vielfältig. Deswegen würde ich mich zum aktuellen Zeitpunkt schon fast gar nicht trauen, hier eine Definition für KI abzugeben. Ich würde für den Kurs allerdings sagen, Generative KI ist alles das, was Erkenntnisse, Texte, Medien und sonstige Ergebnisse generieren kann, um unseren Alltag zu erweitern, zu verbessern oder ihn auch ein Stück weit zu korrigieren.

Wir möchten mit dem Kurs auch einen Austausch herstellen. Wir möchten schauen, dass wir es schaffen, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus diesem Kurs rausgehen und wissen: Was kommt da auf uns zu und welche Erfahrungen hat wer wie gemacht? Aber eine Expertise, glaube ich, haben wir flächendeckend noch lange nicht.

Jona Hölderle: Ich ergänze es vielleicht und versuche, die Frage von Andreas zu beantworten. Es ist wichtig zu wissen, dass es nicht die eine künstliche Intelligenz gibt. Sondern künstliche Intelligenz ist irgendein IT-System, das versucht, möglichst menschenähnlich zu sein. Das merken wir gerade an Chatbots, die nicht perfekt sind, sondern auch Fehler machen. Sie kommen ins Labern und geben Unwahrheiten von sich, weil sie so tun, als wüssten sie es. Also etwas, was eigentlich dem typischen Computersystem komplett widerspricht, das ja Wahrheiten herausgibt.

Meine Definition ist komplett unsachlich. Die heißt, dass künstliche Intelligenz Programme sind, die uns Ergebnisse liefern, wir den Weg zu dem Ergebnis, zur Erkenntnis aber nicht mehr nachvollziehen können. Und damit meine ich nicht nur uns drei hier. Sondern auch die Programmierer. Das ist natürlich unheimlich faszinierend, weil da auf einmal so etwas wie Kreativität entsteht. Aber auch viel Unsicherheit, die wir sonst von technischen Systemen in dieser Form nicht kennen.

Andreas Schiemenz: Das erinnert mich sehr an mein Mathe-Abitur.

Maik Meid: Oh Gott, Mathe konnte ich abwählen damals.

Andreas Schiemenz: Ihr sprecht die Veränderungen durch KI an. Wo seht ihr denn die Gefahr der Veränderung oder vielleicht sogar eine Chance im Fundraising? Mike, kannst du uns die Gefahren nennen und Jona uns die Chancen?

Jona Hölderle: Traditionell machen wir es andersrum. Ich bin gespannt.

Maik Meid: Tatsächlich bin ich immer derjenige, der alles schlecht sieht. Und Jona ist immer derjenige, der den Regenbogen fühlt. Aber vielleicht vorweg: Unser Ansatz ist im Seminar nicht, Veränderungen zu diskutieren, sondern wir schauen darauf, wie diese Tools und Ansätze in den Organisationen im Fundraising-Alltag weiterhelfen können.

Andreas Schiemenz: Ein Beispiel?

Maik Meid: Zum Beispiel eine Tafel. Da kommen Leute aus unterschiedlichen Ländern in einen Tafel-Laden rein. Du hast aber ein KI-generiertes Video, wo jemand erklärt, wie die Ausgabe bei der Tafel funktioniert und hast dieses Video aber gleichzeitig in 15 anderen Sprachen und kannst den Leuten einfach das Smartphone mit den unterschiedlichen Übersetzungen zeigen und die Leute verstehen, worum es da geht. Aus meiner Sicht ist Generative KI ein Zeitsparer und Wissensbringer. Du kannst dich viel, viel schneller auch in komplexe Themen einfinden. Ein weiteres konkretes Beispiel: Ich kann mich während der Fahrt zu einer Organisation im Auto über die Freisprecheinrichtung auf das Gespräch vorbereiten, indem die KI meine Rolle oder die der Organisation übernimmt. So bereite ich mich im Dialog vor. Jetzt bin ich gespannt, wie der eigentlich positive Jonah jetzt mal so negative Aspekte finden will. Ich schreibe gleich mit.

Jona Hölderle: Ein großer negativen Aspekt ist für mich, dass künstliche Intelligenz eine Tendenz zum Mittelmaß hat. Das ist total gut, wenn wir schlecht sind. Deshalb ist der große Vorteil da, vor allem für die kleinen Organisationen. Aber es kann auch zu einer Überoptimierung kommen. Also die künstliche Intelligenz lernt ja aufgrund von Sachen in der Vergangenheit. Und jetzt wissen wir aus dem Fundraising, dass wir ja auch allgemein ohne künstliche Intelligenz mit unserer menschlichen Intelligenz dazu tendieren, uns immer stärker auf diejenigen zu konzentrieren und auf dasjenige zu konzentrieren, was schon funktioniert. Und böse gesagt hat uns das ein wenig in die Misere reingeritten, in der wir gerade im Fundraising sind. Denn wir versuchen ja alle gerade, aus dem immer kleiner werdenden Pool an Spenderinnen und Spendern immer mehr rauszuholen. Wenn wir die künstliche Intelligenz nicht explizit auffordern, das anders zu machen, würde sie mir wahrscheinlich auch wieder 80- bis 90-jährige, ältere Damen als Hauptzielgruppe empfehlen und dann die Kommunikation auch darauf anpassen.

Maik Meid: Entschuldigung, dass ich da mal kurz reingrätsche. Jona und ich haben seit Monaten eine Challenge. Wer als erster hinkriegt, über ein bildgebendes System ein Auto mit quadratischen Reifen hinzukriegen. Also wir sind jetzt nicht gerade die Dümmsten im Prompten für bildgebende Systeme, aber es gelingt uns nicht, weil eben dieses System nicht so kreativ ist, weil der Datenbestand das gar nicht hergibt. Es gibt keine Autos mit quadratischen Reifen, also kann ich es auch mir nicht künstlich generieren lassen. Das Beste, was ich hatte, war ein Auto auf Bierkästen. Was der Datenbestand nicht hergibt, kann er letztendlich auch nicht ausspucken.

Jona Hölderle: Der zweite negative Aspekt ist eher gesellschaftlich. Das ist das Thema Vertrauensverlust. Wir leben im Fundraising von Vertrauen. Wenn ich mir also eine fiktive Organisation, mit Website, Texten, Geschichten, Video und Bildern generieren kann, wo bleibt dann das Vertrauen in echte Organisationen? Und deshalb sind, ich sage jetzt mal wir, wahrscheinlich sehr skeptisch, bei einer zu starken Anwendung von künstlicher Intelligenz. Ich denke also gerade nicht über KI Chatbots im Fundraising nach, sondern darüber, wie man Fundraising-Kommunikation 100 Prozent menschlich nachweisen kann.

Maik Meid: In gemeinnützigen Organisationen, egal ob fürs Fundraising oder für die Kommunikation allgemein, brauchen wir Authentizität. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass unsere Cases echt sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, die wir zeigen, echt sind. Ansonsten glaubt uns niemand mehr. Und deshalb fokussiert sich die Fortbildung übrigens auch nicht nur auf Fundraising, sondern es geht eben auch um Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Menschen die in diesen Bereichen arbeiten, sind herzlich willkommen.

Das Interview wurde von der ngo-dialog-Redaktion bearbeitet und gekürzt. Zu 100 Prozent menschlich, allerdings mit einer KI transkribiert. Mehr zum Kurs an der Fundraising-Akademie hier, den kompletten Podcast zum nachhören gibt es hier bei „neues stiften“.

Bilder: Maik Meid, Andreas Domma, Dall-E-ChatGPT

Bildquellen

  • KI-Portrait: Fotos privat, Illustration erzeugt mit generativer KI (Dall-E/ChatGPT))
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