Katastrophenhilfe bald gemeinnützig?

Eine bundesweite Kampagne von Initiativen aus dem flutbetroffenen Ahrtal fordert Finanzminister Christian Lindner auf, das Spendenrecht für schnellere Hilfe zu reformieren. Doch das Finanzministerium blockt.

Die bundesweite „museum of modern ahrts“-Kampagne von Initiativen aus dem flutbetroffenen Ahrtal fordert Finanzminister Christian Lindner auf, das Spendenrecht zu reformieren, um schneller Hilfe leisten zu können. Doch das Finanzministerium macht noch keine Zugeständnisse.

Für viele Betroffene von Katastrophen im In- und Ausland ist das deutsche Spendenrecht schwer zu verstehen. Plakativen Aufrufen in Presse, Rundfunk und Fernsehen, den Betroffenen schnell zu helfen, stehen bürokratische Monster entgegen, um die Spenden zeitnah auszuzahlen. Nur durch einen sogenannten Katastrophenerlass sind Zahlungen bis 5.000 Euro ohne Nachweis der Bedürftigkeit möglich. Der Grund ist einfach: Katastrophenhilfe ist tatsächlich nicht gemeinnützig.

Katastrophenhilfe muss gemeinnützig werden

In einem offenen Brief und mit einem Video fordern die Initiativen aus dem flutbetroffenen Ahrtal mit Unterstützung des Deutschen Fundraising Verbandes das Finanzministerium auf, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren und die Hilfe deutlich zu beschleunigen. Denn immer noch liegen beispielsweise mehr als 187 Millionen Euro auf den Spendenkonten von Aktion Deutschland Hilft und dem Aktionsbündnis Katastrophenhilfe. Die sollten eigentlich längst an die Opfer der Flutkatastrophe 2021 in Deutschland ausgezahlt sein.

„Die Bundesregierung und speziell Christian Lindner sollten jetzt ihre überfälligen Hausaufgaben erledigen: Wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung, um zivile Hilfe und Spendenfluss im Katastrophenfall zu vereinfachen. Wir erwarten konkrete Schritte der Ampelregierung zu einer Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts, wie im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagt Martin Georgi, Vorsitzender des Deutschen Fundraising Verbands (DFRV).

Finanzministerium blockt ab

Doch das Finanzministerium hält sich bedeckt und lenkt mit der Praxis des Katastrophenerlasses von überfälligen Reformen ab. In einem Bericht der Saarbrücker Zeitung wird das Ministerium zu der Frage, warum man keine generelle Reform anstrebt so zitiert: Katastrophen seien „temporär auftretende Ereignisse“, auf die rasch und bedarfsgerecht zugeschnitten reagiert werden müsse. „Gesetzliche Tatbestände können derartige Szenarien nicht abstrakt vorwegnehmen und lösen.“ Ein bundesweiter Erlass sei „ein jahrelang erprobtes und bewährtes Vorgehen in Katastrophenfällen“. Für die Opfer der Flutkatastrophe ist diese Aussage ein Schlag ins Gesicht, denn sie warten immer noch auf die versprochene schnelle Hilfe von 2021.

Weniger Spenden durch Bürokratie?

Deshalb werden die Verantwortlichen der Kampagne nun deutlich. Es sei für die Betroffenen im Ahrtal unverständlich, wieso die Hilfe so spät erst fließe. Immer komplexere Not- und Katastrophenfälle wie der Krieg in der Ukraine und die Erdbeben in der Türkei und Syrien erforderten eine hohe Spendenbereitschaft. Hierfür sind aber klare rechtliche Regelungen und Kommunikationsmöglichkeiten für die Organisationen unverzichtbar. Marc Adeneuer, betroffener Winzer und Vorstand des Vereins „A Wineregion Needs Help for Rebuilding e.V.“ befürchtet gegenüber dem SWR „Wenn das so kompliziert ist, wird ein Spendenaufruf in Zukunft ins Leere laufen.“ Er sitzt auf 10 Millionen Euro, die er gern auszahlen würde. Das Finanzamt verlangt aber eine Einzelfallprüfung jedes Winzers.

Die Spendenbereitschaft könnte also bei zukünftigen Katastrophen sinken, weil das Vertrauen fehlt, dass das Geld wirklich ankommt.

Doch wie ist das Problem zu lösen?

Bisher darf auch im Katastrophenfall erst Spendengeld ausgezahlt werden, wenn die Person ihre Betroffenheit und Bedürftigkeit nachweist. Und da beginnt die Bürokratie die Spendenverteilung enorm auszubremsen. Denn bevor Spenden an individuelle Personen ausgezahlt werden, müssen Versicherungen und staatliche Hilfsgelder ausgezahlt werden. Erst wenn dann noch Hilfsbedürftigkeit und Armut besteht, darf mit Spenden geholfen werden.

DFRV-Vorstand Georgi kritisiert deshalb im Magazin Focus: „Das Problem ist: Wir haben kein Katastrophenrecht. Wir fordern, dass die Gemeinnützigkeit geändert wird. Denn bei einer Katastrophe geraten viele Menschen in finanzielle Not.“ Außerdem fragt er zu Recht: „Was kann sich jemand, dessen Haus zerstört wurde, noch davon kaufen, dass er noch das Grundstück besitzt?“

Zentrale Antragsbearbeitung wäre Katastrophenvorsorge Insgesamt dauert die Hilfe durch das zögerliche Handeln des Finanzministeriums viel zu lange. Auch weil die Informationen, warum man Hilfe beantragt, immer wieder aufs Neue bei Versicherungen, Land und Organisationen eingereicht werden müssen, selbst dann, wenn einem buchstäblich alle Unterlagen weggeschwommen sind. Es gibt auch immer noch kein zentrales deutschlandweites Antragssystem, wie die Software Phoenix, welches das Deutsche Rote Kreuz schon 2002 in Sachsen entwickelt hatte, um die Beantragung für die Elbeflutopfer zu erleichtern. Damit gab es ein System, auf das auch Spendenorganisationen Zugriff hatten und so die Bedürftigkeit einfacher und schneller einschätzen konnten. Auch das könnte ein Mittel der Vorsorge sein. Denn Klimaexperten befürchten, dass die Anzahl von klimawandelbedingten Katastrophen auch in Deutschland deutlich zunehmen wird. Zeit zum Handeln wäre also jetzt.

Bildquellen

  • Bank im Hochwasser: hans/pixabay

Ein Kommentar zu „Katastrophenhilfe bald gemeinnützig?

  • 7. März 2023 um 12:39
    Permalink

    Sehr spannend – sachlich ist das politische Verhalten verstörend.

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