Spenden oder Korruption?
Die Parteien haben in diesem Wahlkampf so viele Spenden bekommen wie noch nie. Besonders kleinere Parteien waren im Fundraising enorm erfolgreich. Doch wie diese Spenden wirken, ist umstritten. Dienen sie dazu Projekte der Spenderinnen und Spender oder Parteiprogramme zu unterstützen?
Der Parteispenden-Bereich ist transparenter als bei so mancher Organisation. Denn laut Gesetz müssen Großspenden über 50.000 Euro dem Präsidenten des Deutschen Bundestages angezeigt und von ihm veröffentlicht werden. Das geschieht auch regelmäßig und gibt so einen Einblick in das Fundraising der Parteien.
FDP und GRÜNE vorn bei Großspenden
Insgesamt betrachtet haben aber FDP und Grüne im laufenden Wahljahr die höchsten Einnahmen aus Großspenden erzielt. Die FDP erhielt 4,3 Millionen Euro, die Grünen lagen mit 3,4 Millionen Euro nur knapp auf Platz zwei vor der CDU mit 3,3 Millionen. Das geht aus einer Auflistung des Bundestags hervor. Von Januar bis September 2021 haben die Parteien insgesamt fast 12,3 Millionen Euro durch solche Großspenden erhalten. Zum Vergleich: Im Wahljahr 2017 waren es in den neun Monaten vor der Wahl insgesamt nur knapp 5,3 Millionen Euro. Die Zahl der Spenden ab 50.000 Euro, die dem Bundestag gemeldet und zeitnah veröffentlicht werden müssen, stieg von 45 auf 78.
Lag es nun an der Wechselstimmung oder an kontinuierlichem Fundraising? Auffällig ist schon, dass besonders zum Ende des Wahlkampfes nochmal ordentlich nachgelegt wurde. So erhielten Bündnis 90/die Grünen im September noch über 1,5 Millionen Euro. Darunter eine 1,25 Millionen Euro Spende von Steven Schuurman, Gründer von Elastic, einem Unternehmen, das Suchmaschinen für Websites und Apps programmiert. Zu deren größten Kunden gehören unter anderem Volkswagen, Microsoft, Netflix und Wikipedia. Neun Jahre lang war Schuurman CEO von Elastic und hält nach dem Börsengang, der ihn zum Milliardär machte, nur noch Anteile an der Firma. Auch in den Niederlanden unterstützt er Parteien, die Klima- und Tierschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben. Zwischen Mai und Juni verzeichneten die Grünen gerade mal etwas über eine viertel Million Euro.
FDP mit kontinuierlichen Großspenden
Wesentlich kontinuierlicher ist da der Spendeneingang bei der FDP. Im Schnitt gingen seit März 2021 etwas über 600.000 Euro pro Monat ein. Die höchste Einzelspende erhielten die Liberalen vom größten bankenunabhängigen Vermögensverwalter Deutschlands, der Flossbach von Storch AG aus Köln in Höhe von 431.452 Euro. Insgesamt meldete die FDP 64 Großspenden über 50.000 Euro beim Bundestag und liegt damit auch in der Zahl der Spenderinnen und Spender weit vor den anderen Parteien.
Bei der CDU dagegen ist ein klarer Aufwärtstrend bis zum Juli zu erkennen. Da erzielte die Partei ein Rekordspendenergebnis von über einer Million Euro von acht Spendern. Die höchste Spende von 500.000 Euro kam von Christoph Alexander Kahl, dem Besitzer von Jamestown Immobilien, der der Plattform abgeordnetenwatch im letzten Wahljahr 2017 noch durch Stückelung von Großspenden aufgefallen war. Diesmal macht er sein Engagement gleich mit der bisher größten Spende von ihm an die CDU öffentlich. Danach sank die Zahl der Spenden aber deutlich ab.
Bei den kleinen Parteien sind es meist nur Einzelspenden von privaten Gönnern. Unter anderem sogar für „Die Partei“ von Michael Sonneborn. Die hat Freunde bei der Global Shopping Collective GmbH aus Zossen. Auf Twitter wurde auch der Grund für die Spende genannt: „Der Spender wünschte sich, dass wir das Geld ‚gegen die Clan-Kriminalität von CDU/CSU‘ einsetzen. Werden wir tun!“ Ob das allerdings ernst zu nehmen ist, darf bezweifelt werden. Über die Firma ist nicht viel bekannt, außer dass sie Online-Shopping-Lösungen für Firmen erstellt.
Linke wollen Parteispendenverbot
Auch linke Parteien erhielten dieses Jahr wieder Großspenden: Die Linke 55.000 von Helmtraut Klara aus Berlin und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands 100.000 Euro von Thomas Keßler aus Balingen. Er ist seit über 40 Jahren aktiver Gewerkschafter in der IG Metall und geht in Kürze in Rente. Das Geld stammt aus einer Erbschaft, wie die Partei mitteilt. Keßler sieht die Welt durch ein Umweltkatastrophe bedroht und meint: „Ich bin mir sicher, dieses kapitalistische System muss überwunden werden. Die Lösung kann nur im wissenschaftlichen Sozialismus liegen, in der die Einheit von Mensch und Natur hergestellt wird. Arbeiterpolitik wird nur durch Arbeiter finanziert.“
Die Linke versuchte das Thema Großspenden als einzige im Wahlkampf zu instrumentalisieren und warf anderen Parteien, die auch Unternehmensspenden annehmen, Korruption vor. So sagte Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow im Juni 2021: „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass sich Millionäre und Unternehmen Parteien kaufen. Sowas hat Folgen. 2010 hat sich ein Hotel-Milliardär bei der FDP die Mövenpick-Steuer gekauft. Jetzt kauft sich die Immobilienlobby Union und FDP für mieterfeindliche Politik. Diese Praxis muss unterbunden werden. Unternehmensspenden und Großspenden von Privatpersonen müssen gesetzlich verboten werden. Wir brauchen keine Demokratie der gekauften Parteien.“
Nach einer Auswertung der Linken hätten Spenden von Immobilienunternehmen an Parteien in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zugelegt. Alleine im Jahr 2020 flossen mehr als 1,25 Millionen Euro von den Konten der Immobilienunternehmer auf die Konten der Parteien. Fast 80 Prozent der Spenden an die CDU von 2020 würden aus der Branche stammen. Von den großen Parteien sind nur noch die Grünen für eine Deckelung der Großspenden an Parteien. Die Linken wollen diese Spenden komplett abschaffen.
Und der Wahlsieger SPD? Der hat offenbar keine Großspender, kein echtes Fundraising oder die Spenden bleiben unter den 50.000 Euro und müssen nicht angegeben werden, denn nur zwei Spenden wurden 2021 angezeigt. Eine 14 Tage vor dem Wahltag über 75.000 Euro von der Pollmeier Massivholz GmbH & Co. KG und eine von der Deutschen Vermögensberatungs AG im August in Höhe von 100.000 Euro, die übrigens auch CDU und FDP mit höheren Summen unterstützte.
Viel mehr Spenden auf unterer Ebene
Doch sind Parteien korrupt, wenn sie Spenden annehmen und das auch noch auf gesetzlicher Grundlage? Rechtlich wohl kaum. Aber Parteispenden haben ein Geschmäckle, und die Geschichte der Bundesrepublik zeigt viele Fälle, in denen Parteien immer wieder durch kreative Schatzmeister auffielen. Brisant wird das durch die Untersuchung von Correctiv, die erstmals die Spendenpraxis auf kommunaler Ebene in den Blick genommen haben. Brisant dabei ist, wer sich besonders zugeknöpft gab und keine Aussagen machte: die CDU. Dabei bekommt sie die meisten Spenden. 2019 waren es zusammen knapp 36 Millionen Euro. Fast 80 Prozent davon gingen an Ortsvereine, Kreis- und Bezirksverbände der Partei. Und die Möglichkeiten, dort eine örtliche Entscheidung durch eine Spende zu beeinflussen, ist viel größer als im riesigen Bundestag.
Grundsätzlich braucht es eine Reform des Parteispendenrechts und deutlich mehr Transparenz bei dem Thema. Lobbycontrol fordert beispielsweise eine Absenkung der Veröffentlichungspflicht von Parteispenden auf 2.000 Euro, um auch die Verschleierung von Großspenden durch eine Stückelung über Strohmänner und -frauen endlich zu beenden.
Bildquellen
- Großspenden der Parteien: MD
- Bundesadler im Plenum des Deutschen Bundestages: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann