Demokratie bekommt Hilfe

In den letzten Wochen konstituierten sich verschiedenste Initiativen, um bürgerschaftliches Engagement für unsere Demokratie zu unterstützen. Ein Überblick über die Möglichkeiten, die damit für Vereine und Stiftungen bei diesem Thema verbunden sind.

Menschen, die seit Jahren in Organisationen arbeiten, die sich für Teilhabe, Demokratie und Menschenrechte einsetzen, sind aktuell doch überrascht. Das Treffen von extremistischen Organisationen und Protagonisten mit Parteivertretern der AfD in Potsdam hat eine starke Solidaritätsbewegung für demokratische Grundrechte in Gang gesetzt. Darunter sind nun auch verschiedenste Initiativen aus der Wirtschaft, den Medien, der Zivilgesellschaft und auch aus der Fundraising-Szene.

„Zusammen für Demokratie“

Das nach Namen kraftvollste Demokratiebündnis „Zusammen für Demokratie. Im Bund. Vor Ort. Für Alle.“ konstituierte sich am 21. März 2024. Die bisher rund fünfzig teilnehmenden Organisationen, darunter der Deutsche Gewerkschaftsbund, die beiden großen christlichen Kirchen, Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie Kultur- und Sportverbände wollen sich durch konkrete Maßnahmen vor Ort für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. So heißt es in dem veröffentlichten Maßnahmenplan, auch Budgets und Spenden für Demokratieinitiativen werden gesammelt. Diese sollen für Infrastruktur wie Plakate, Events und Aktionen ausgegeben werden. Besonders in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, in denen in diesem Jahr gewählt wird.

#Zusammenland

Auch die Medienbranche hat sich bewegt, die „#Zusammenland – Vielfalt macht uns stark“-Kampagne, die von den Medien des Verlegers Dieter von Holtzbrinck gestartet wurde, hat mittlerweile über 500 Unternehmen, Stiftungen und Verbände vereint und warb in der Zeit, dem Handelsblatt und im Tagesspiegel sowie in der Süddeutschen Zeitung sowie beim Außenwerber Ströer für ihre Ziele. Die Verlage und Medienhäuser haben Unternehmen, Stiftungen und Verbänden angeboten, ihr Logo kostenfrei in eine Anzeige zu integrieren. Im Gegenzug sind die Organisationen aufgefordert, an gemeinnützige Projekte oder unternehmensinterne Aktionen zu spenden. Anzeigenplätze im Gegenwert von mehreren Millionen Euro stellen die Zeitungen und Medienhäuser zur Verfügung.

Kreativbranche will helfen

Aus der Kreativbranche kommen zwei weitere Angebote. Zuerst die Initiative „MitteBitte“ . Sie wurde von Nicole Hölscher ins Leben gerufen und setzt sich für die Stärkung der gesellschaftlichen Mitte ein, um Demokratie und Zusammenhalt zu fördern. Gemeinsam mit Kreativen aus ganz Deutschland will sie aktiv werden und Plakate, Aktionsmaterial und Social-Media-Vorlagen produzieren, um „emotionale Botschaften ohne Aggression“ zu produzieren und so besonders die schweigende Mitte zum Mitmachen zu motivieren.

Deutlich mehr Resonanz, gerade aus der NPO-Szene, erfährt gerade die C_SR-Initiative von großen Kommunikationsagenturen aus Deutschland. Sie will systematisch NPO mit kostenfreien Kommunikationsdienstleistungen stärken. Dafür hat sie eine Internetplattform erstellt, um NPO und Kreative zusammenzubringen. Unterstützt wird die Initiative auch vom Deutschen Fundraising Verband. Die Mitgliederliste ist das „Who‘s Who“ der deutschen Kommunikationsagenturen.

Auffällig viel Fundraising

NPO und Demokratie-Initiativen können ein Briefing für ihre geplanten Kommunikationsmaßnahmen erstellen und hochladen. In den bereits gestellten Aufgaben sind bisher ganz unterschiedliche Maßnahmen enthalten. Die Kindernothilfe will 2024 eine Dauerspendenwerbekampagne starten und sich auch gegen Hate-Speech auf ihren Social-Media-Kanälen wenden. Sätze wie: „Kümmert euch erstmal um die deutschen Kinder statt um die in anderen Ländern!“ werden als Beispiel gebracht. Die Initiative „Hate-Aid“, über die der ngo-dialog bereits im Zusammenhang mit Hate-Speech berichtete, will einen Film zum fünfjährigen Organisationsjubiläum drehen, um Engagement gegen digitale Gewalt zu zeigen und ebenfalls Dauerspenden zu gewinnen.

Fundraising-Szene sieht das kritisch

Diese Fundraising-Dichte in den Aufgaben bei C_SR wirft bei den Fundraising-Profis in der deutschen Agenturszene auch Fragen auf. Wird hier in ihrem Geschäftsfeld gewildert, um als Kommunikationsagentur Corporate Social Responsibility zu zeigen und gute PR bei einem aktuellen Thema zu produzieren? Dazu gibt es bereits eine lebhafte Diskussion bei LinkedIn.

Dort ist von einer Verdrängung von Fundraising-Agenturen oder gar „woke washing-Agenturen“ die Rede. Diese Kritik hat die Initiatoren dazu veranlasst, einen „Code of Conduct“ zu veröffentlichen. Dort heißt es: „Insbesondere die wichtige Arbeit von Fundraising-Dienstleistern & Spezial-Agenturen soll durch C_SR nicht substituiert werden.“ Das Problem ist offenbar angekommen.

Fundraising-Szene will selbst helfen

Aus der Fundraising-Szene selbst kommt eine Initiative, Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, nachhaltig zu unterstützen. Die Initiatoren Johannes Richter und Dr. Friedrich Haunert stellen fest, „dass seit dem Erstarken der AfD und den allgemeinen Kürzungen öffentlicher Mittel viele Vereine, insbesondere in Ostdeutschland, besorgt sind – nicht nur um die demokratische Kultur, sondern auch um ihr eigenes Fortbestehen.“ Richter hat selbst jahrelang in diesen Organisationen in Dresden gearbeitet und Haunert begleitet seit 30 Jahren Transformationsprozesse in Organisationen und ist auch Referent an der Fundraising-Akademie.

Offensichtlich fällt Organisationen mit Expertise im Förderantrags-Management es schwer, auf Fundraising bei Privatpersonen umzustellen. Häufig fehlen die Ressourcen, um mit dem Fundraising zu beginnen und die kritischen ersten drei Jahre zu überstehen. Daher liegt der Fokus der Initiative auf der Organisationsentwicklung, die eine Diversifizierung des Geschäftsmodells beinhaltet.

Agenturen und Fundraising-Profis gesucht

In einem ersten Schritt soll ein Netzwerk mit freiwilligen Unterstützer*innen aus dem Bereich Fundraising, Organisationsberatung und Dienstleistern aufgebaut werden, das über die Bedarfe und Herausforderungen der Träger informiert wird. Anschließend sollen konkrete Angebote für Träger entwickelt werden. In der Pilotphase werden dann zunächst über Haunert und Richter Initiativen und Träger gezielt angesprochen, die eine Schlüsselposition im Themenfeld Rechtsextremismus einnehmen. Dank ihrer engen Vernetzung mit der Szene ist eine direkte und effiziente Kommunikation hier möglich. Das wichtigste Kriterium für die Auswahl zur Pro-bono-Beratung ist die Erfolgsaussicht.

Die Erfolgschancen werden in einem Erstgespräch abgeklärt. Bei übereinstimmenden Interessen erfolgt eine Auftragsklärung. Die Initiatoren sprechen dann gezielt Kolleg*innen aus ihrem Beraternetzwerk an, die bereit und fachlich qualifiziert sind, um einen Transformationsprozess zu begleiten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass in naher Zukunft Mittel für Aufwandsentschädigungen generiert werden können.

Freiwillige, die Interesse an einer Mitarbeit im Berater*innenpool haben, wenden sich direkt an: Fritz Haunert und Johannes Richter. „Wir hoffen auf einen Rücklauf, da angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen und der sich verändernden politischen Landschaft der Bedarf an professioneller Unterstützung dringender denn je ist!“

Demokratieförderungsgesetz steckt fest

Und die Politik? Bereits Ende 2022 wurde von der Regierungskoalition das Demokratieförderungsgesetz beschlossen. Im März 2023 wurde es erstmals im Bundestag debattiert, verabschiedet ist es nicht. Obwohl die FDP es in der Koalition beschlossen hat, lehnt sie es jetzt brüsk ab: „Es wird kein sogenanntes Demokratiefördergesetz geben, das eine institutionelle Finanzierung von Vereinen und Verbänden vorsieht, die sich als sogenannte Nichtregierungsorganisationen bezeichnen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP Wolfgang Kubicki der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin. Für die Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt, Kathrin Sonnenholzner, grenzt das an Realitätsverlust. Gegenüber der WELT sagte sie: „Wer heute auf die Idee kommt, bei der Demokratiestärkung untätig zu bleiben, muss wirklich auf einem anderen Stern leben: Seit Wochen gehen Millionen von Menschen auf die Straße, um unsere Demokratie vor Rechtsextremen zu schützen – und Abgeordnete einer Regierungsfraktion wollen ausgerechnet ein Gesetz zur Förderung demokratischer Basisarbeit beerdigen.“

Zankapfel ist die geplante Förderrichtlinie, die noch nicht vorliegt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries befürchtet gegenüber dem ZDF politische Einflussnahme auf die Förderbedingungen, die dann je nach dem aktuellen Farbenspiel in der Politik ausfällt. Aktuell sieht es nicht danach aus, dass eine institutionelle Förderung von Demokratie-Initiativen durch den Bund bald auf den Weg gebracht wird.

Bildquellen

  • Zusammenland: PR

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