Spenden für Deutschland
Braucht Deutschland einen Tag des Spendens? Neben dem international bekannten GivingTuesday am 30. November 2021 soll es im nächsten Jahr auch einen Deutschen Spendentag am 1. Juni 2022 geben. Wir sprachen mit den Protagonisten der beiden Spendentage für Deutschland.
Der GivingTuesday ist international schon sehr bekannt. Am 1. Dezember 2020 kamen allein in den USA bei diesem Event 2,47 Milliarden Dollar zusammen. Das bedeutet einem Anstieg von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 808 Millionen Dollar davon wurden online gespendet. Dieses Ergebnis ist besonders beeindruckend, weil unter dem Eindruck der Pandemie bereits im Mai auf einem außerordentlichen #GivingTuesdayNow in den USA über 500 Millionen Doller gespendet wurden. Der konsumkritische Tag, der unmittelbar nach dem in den USA so beliebten Schnäppchentage Black-Friday und Cyber-Monday stattfindet, will Menschen daran erinnern, Schwächere mit einer Spende zu unterstützen und wird von vielen Non-Profit-Organisation dort als strategisch wichtiger Tag in das Fundraising eingebunden.
Und in Deutschland? Hier wird die GivingTuesday-Idee vom Verein Thrive International aus München koordiniert. 2020 gab es coronabedingt weniger Aktivitäten. Aber nach Auskunft von Claudia Loewe, Vorstand für den GivingTuesday bei Thrive International, gab es etwa 150 Aktionen von Organisationen, die etwa 150.000 Euro einbrachten. „Wir waren in 2020 leider nicht proaktiv genug. Dafür sind wir mit dem Ergebnis eigentlich zufrieden. Es ist aber noch ziemlich viel Luft nach oben“, schätzt sie selbstkritisch ein.
Deutschem GivingTuesday fehlt Verbreitung
Grundsätzlich wirkt der Tag in Deutschland aber auch noch lange nicht so verbreitet wie in den USA. Auch die Presse lässt der Tag bisher eher kalt. Lediglich Einzelmeldungen gibt es. So wurde darüber berichtet, dass die Molkerei Ehrmann ihren langjährigen NGO-Partner SOS Kinderdorf an dem Tag mit zusätzlichen 10.000 Euro unterstützte. Aber ist das ein Erfolg des GivingTuesday oder der einer langen Partnerschaft?
Noch fristet der Tag in Deutschland eher ein Mauerblümchendasein. Auch die Kommunikation der teilnehmenden Organisationen ist teilweise kontraproduktiv. So feierte das Deutsche Rote Kreuz den Tag 2020 als einen „Aktionstag gegen den Konsum zur Weihnachtszeit“ und wirbt mit dem eigenen Hashtag #donationdecember. So wird der gemeinsame Gedanke der Giving Tuesday-Bewegung, der den hashtag #GivingTuesdayDE führt, untergraben.
Dass der GivingTuesday hierzulande nicht so stark wahrgenommen wird, liegt nicht an einer eventuellen mangelnden Bekanntheit des Black Friday. Immerhin kennen gemäß dem Statistikportal Statista 95 Prozent der Deutschen den Black Friday, und ein Drittel will an dem Tag bereits etwas kaufen. Das Organisationsteam will den GivingTuesday auch nicht damit verknüpft sehen. „Aus unserer Sicht hängt der Tag nicht direkt mit dem Black Friday zusammen und auch nicht mit dessen Bekanntheit. Der GivingTuesday soll sich ganz unabhängig in Deutschland etablieren“, so Claudia Loewe.
Mehr Aktionen für das Jahr 2021
Deshalb plant ihr Team für den GivingTuesday am 30.November 2021 auch etwas Neues: „Wir fokussieren uns dieses Jahr auf NPOs und auf größere Unternehmen, die wir davon überzeugen wollen, dass es Sinn macht, Teil der globalen Bewegung zu sein. Hierfür möchten wir uns ein paar schlagkräftige Partner an Bord holen und mehr Präsenz und Informationen herausgeben, um zu zeigen, wie einfach es ist, mitzumachen.“
Es bleibt abzuwarten, ob diese Strategie in der Hauptspendenzeit vor Weihnachten aufgeht. Ein zusätzlicher Aktionstag, den man in dieser arbeitsintensiven Zeit als NPO auch noch mit bekannt machen muss, ist schon eine Herausforderung. Löwe setzt aber aufs Mitmachen. „Wir möchten, dass viele Aktionen, egal wie klein oder groß, die Bewegung nach vorne bringen. Jeder kann etwas geben, jeder kann mitmachen, und es ist ganz einfach.“ Sie sieht auch einen Druck bei den Firmen, sich engagieren zu müssen: „Vor allem die jüngeren Generationen akzeptieren nicht mehr, wenn Unternehmen sich nicht nachhaltig und sozial engagieren.“ Sie hofft darauf, dass die internationale Marke GivingTuesday attraktiv ist, um als Partner für Unternehmen ins Spiel zu kommen.
Deutscher Spendentag am 1. Juni 2022
Der Fundraising-Experte und Buchautor Thomas Grosjean sieht auch den hohen Aufwand im vierten Quartal und will deshalb den Deutschen Spendentag am 1. Juni 2022 als eine Ergänzung zum GivingTuesday etablieren. „Ich möchte ein Highlight für das Spenden im ersten Halbjahr setzen und damit auch den Druck vom Jahresende nehmen“, so Grosjean. Seine Hauptzielgruppe sind ebenso Unternehmen. Diese sollen an dem Tag ganz allgemein spenden, und gemeinnützige Organisationen können sich um diese Spenden bewerben, allerdings nicht mit ausgefeilten Konzepten, sondern einfach per Losentscheid. Wer gemeinnützig ist und sich anmeldet, kommt in den Lostopf. „Ich möchte damit allen Organisationen die Chance geben, Spenden zu erhalten, nicht nur den immer wieder beliebten Mainstream-Themen“, so der Initiator.
Die Unternehmen verpflichten sich zu einer Spende und werden dann von Grosjean mit den Gewinnern in Verbindung gebracht. „Die Spende fließt also nicht über mich, sondern geht nach der Verlosung direkt vom Unternehmen an die Organisation. Dass sich Unternehmen nicht an ihre Zusagen halten, damit rechnet er wegen des öffentlichen Interesses nicht. Die Unternehmen können auch angeben, an wie viele Organisationen ihr Spendenbetrag aufgeteilt werden soll. Grosjean rechnet mit Beträgen zwischen 1.000 und 10.000 Euro. „Ich habe bereits einige Gespräche geführt und bin dabei auf Interesse gestoßen. Im Moment putze ich Klinken. Mein Ziel ist es, 100.000 Euro in der ersten Verlosung zu haben.“ Er selbst verdient daran nichts. Auch eine Online-Spendenmöglichkeit gibt es deshalb noch nicht. „Das würde wieder Strukturen, beispielsweise eine gemeinnützige GmbH, bedeuten“. Mittelfristig ist das aber das Ziel, denn ihm ist klar, dass diese Aufgabe nicht rein ehrenamtlich zu leisten ist. Denn im Hauptberuf ist der gelernte Bankkaufmann und Sparkassenbetriebswirt angestellter Firmenberater für Versicherungen und erstellt Risikoanalysen sowie Konzepte für komplette Unternehmensabsicherungen. Unternehmenskontakte sind also da.
Bildquellen
- Geldhaufen: pxhere
Ich bin skeptisch, ob sich Spendentage in Deutschland durchsetzen. Außer Weihnachten gibt es keinen etablierten Anlass für gemeinsames Handeln. Für künstlich geschaffene Tagesanlässe und Spendenanlässe per Auslosung sehe ich keine Chancen, weil sie die Grundmotivationen der Förderer nicht wecken, weder Mitleid noch Geltungsbedürfnis noch Isolationsfurcht.