„Unternehmen wollen sich engagieren!“

Hugo Pettendrup leitet den Kurs „Referent*in Unternehmenskooperation“ an der Fundraising-Akademie und berät seit Jahren gemeinnützige Organisationen und Unternehmen. Seiner Meinung nach sollten Non-Profit-Organisationen Unternehmen stärker als Mitbürger betrachten.

Ngo-Dialog: Sie arbeiten seit Jahren mit Unternehmen zusammen. Wie hat sich das Thema Kooperation zwischen Unternehmen und NGOs entwickelt?

Hugo Pettendrup: Unternehmenskooperationen sind nicht mehr Einbahnstraße oder Sackgasse. Es vollzieht sich seit einiger Zeit ein Paradigmenwechsel hin zu einem modernen Verständnis von Unternehmenskooperation. Es geht um die Erkenntnis, dass gesellschaftliche Herausforderungen weder vom Staat noch von der Wirtschaft oder dem gemeinnützigen Sektor alleine erfolgreich bearbeitet werden können. Erfolgversprechend sind vor allem sektorenübergreifende Kooperationen, in denen gemeinsam an gesellschaftlichen Innovationen gearbeitet wird – Kooperationen also, in die die unterschiedlichen Akteure trotz ihres unterschiedlichen Hintergrunds und manchmal auch in Konflikte geratenden Interessen ihre jeweiligen Ressourcen und besonderen Kompetenzen einbringen.

Diese Überzeugung wird umso aktueller angesichts der Entwicklungen, die Wirtschaft, Gesellschaft und Staat gleichermaßen berühren: Klimawandel, demografische Entwicklung, sozialer Zusammenhalt, aber auch unmittelbar vor Ort greifende Themen wie Bildung, Fachkräftemangel und soziale Kompetenz, Familienfreundlichkeit, Toleranz, Integration, bedarfsbezogene soziale und kulturelle Infrastruktur, Gesundheit, Engagement und Eigeninitiative sowie eine intakte Umwelt können von keinem dieser Akteure allein aus sich heraus bearbeitet werden.

Gemeinsame Lösungen finden

Aber haben das die Unternehmen wirklich schon erkannt?

Viele gesellschaftliche Herausforderungen brennen Unternehmen und den betroffenen Menschen gleichermaßen unter den Nägeln. Unternehmen existieren nicht losgelöst von gesellschaftlichen Realitäten und Herausforderungen. Wir brauchen neue Konzepte des gemeinsamen Handelns. Komplexe Problemlagen brauchen neue Formen der Verantwortungsteilung. Friedrich Dürrenmatt sagte einmal „Was alle angeht, können nur alle lösen. […] Jeder Versuch eines einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.“ Unternehmen denken in der Regel über die engen Grenzen der Geschäftstätigkeit hinaus, und es besteht eine hohe Bereitschaft, sich für Gemeinwohl zu engagieren. Und es werden immer mehr Unternehmen!

Viele Vereine wünschen sich Kooperationen mit Unternehmen, weil sie viel Geld darin vermuten. Ist das so?

Diese Frage ist erst einmal eindeutig zu bejahen. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen wird als Hoffnung für große Geldbeträge gesehen. Unternehmen werden sehr oft beziehungsweise leider viel zu oft nur als Finanzier betrachtet. Die Bedeutung von Corporate Social Responsibility (CSR), der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen, ist für viele Fundraiserinnen und Fundraiser gleichgesetzt mit der Unterstützungsleistung an die eigene Organisation.

Aber: Eingebettet in die ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung eines Unternehmens ist zu erkennen, dass sich CSR stark ausgeweitet und differenziert hat. Partnerschaften und Kooperationen mit Unternehmen als Teilbereich haben sich professionalisiert und spezialisiert. Klassische Unternehmensspenden gibt es noch und wird es auch weiterhin geben. Wir sehen aber bei der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen eine neue Ausrichtung.

Partnerschaft mit Unternehmen

Welche ist das?

Mit dem übergeordneten Wissen von Unternehmensverantwortung wird eine neue Ära des strategischen Unternehmensengagements betreten. Unternehmen wollen mit ihren spezifischen Kompetenzen und Ressourcen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen. Wachsende Budgets für Investments in strategische Partnerschaften und der Ausbau personeller Ressourcen sind Indikatoren hierfür.

Strategische Unternehmenskooperationen bewegen sich auf einer gemeinsamen programmatischen Ebene und integriertem sozialem Engagement. Eine solche Partnerschaft findet auf verschiedenen Ebenen statt und zeichnet sich durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Partner aus. Mit zunehmender Professionalisierung und Institutionalisierung wachsen auch die Anforderungen an die strategischen Partnerschaften.

Ist Sponsoring heute noch die Hauptform einer solchen Zusammenarbeit?

Oftmals werden Unternehmensspenden und Sponsoring als einzige Form der Zusammenarbeit gekannt und genutzt. Durch den Austausch von Leistungen und Gegenleistungen steht Sponsoring dabei als Element der Zusammenarbeit oftmals noch im Vordergrund. Aus Unternehmenssicht sind diese beiden Elemente ebenfalls bekannt und einfach umsetzbar.

Wir erleben aber einen schon erläuterten Perspektivwechsel. Weg von der alleinigen Ressourcenorientierung und der falschen Hoffnung auf große finanzielle Summen. Es geht hin zu einer fachlichen Begründung für sektorenübergreifende Kooperationen im Rahmen regionaler Entwicklung, ähnlicher Interessen und legitimer Nutzenerwartungen.

Gemeinnützige Organisationen sind Experten

Aber können das gemeinnützige Organisationen als Partner leisten?

Gemeinnützige Organisationen kennen sich mit vielen dieser Themen aus. Sie sind die Experten für diese Themen im Gemeinwesen. Sie bieten sich als Partner für Unternehmen an, die sich engagieren und die gesellschaftlichen Herausforderungen mitgestalten wollen. Es geht nicht darum, Unternehmen für öffentliche Aufgaben in Anspruch zu nehmen oder für die Anliegen von gemeinnützigen Organisationen „in den Dienst zu nehmen“. Es geht nicht um Funktionalisierung oder Instrumentalisierung. Kooperation und Instrumentalisierung schließen sich aus. Dahinter stehen völlig verschiedenen Haltungen. Es geht auch nicht darum, dass NPO sich in den Dienst von Unternehmen stellen sollen, nicht Teil von Events oder Inszenierungen sind. Wichtig sind ein gemeinsames Anliegen und das Finden von Schnittstellen. Wo passen wir zusammen? Was wollen und können wir gemeinsam besser bewegen als allein?

Was ist eine gute Kooperation?

Kooperation setzt eine andere Art des Miteinanders voraus als zum Beispiel bei einer Spendenbeziehung. Bei Kooperation geht es um eine andere Qualität der Beziehung und eine andere Haltung. Zentrale Begriffe dafür sind: Anerkennung der Handlungslogiken, Arbeitsweisen und Rahmenbedingungen des anderen (ernst nehmen und wertschätzen), Offenheit für Ideen des Partners, Partnerschaftlichkeit. Das heißt: Gleichberechtigung und Augenhöhe im Umgang. Es geht hier nicht um „Bittsteller“ auf der einen und „Gönner“ auf der anderen Seite, sondern um Partner.

Letztlich geht es darum, eine neue sektorenübergreifende Kultur der Mitverantwortung zu etablieren, aus der heraus Aufgaben und Lösungen besprochen und ein arbeitsteiliges Wirken verabredet wird. Hierfür gibt es deutschlandweit viele gute Beispiele, was Unternehmen und Gemeinnützige alles gemeinsam machen können. Viele Dinge, die wirklich funktionieren und einen gesellschaftlichen Mehrwert stiften.

Mit einer veränderten Sichtweise auf Unternehmen und ihr gesellschaftliches Engagement auch im gemeinnützigen Sektor, können Anknüpfungspunkte für Unternehmenskooperationen erkannt, aufgegriffen und für die eigenen Ziele und Aufgaben produktiv gemacht werden. Die im Rahmen von Spenden- und Sponsoring-Kooperationen eingeübten Modelle der Zusammenarbeit, in denen den Unternehmen eher eine passive Rolle als Unterstützer zukommt, und das damit einhergehende Selbstverständnis der Organisationen in dieser Kooperation reichen tendenziell nicht mehr aus, um interessante Kooperationspartner aus der Wirtschaft zu gewinnen und längerfristig zu binden.

Klarer kommunizieren

Immer wieder wird davon berichtet, dass NGOs und Unternehmen nicht dieselbe Sprache sprechen. Wie erleben Sie das?

Ja, mit der Sprache ist das so eine Sache. Im Unternehmenskontext werden leider immer mehr Anglizismen und schwer verständliche Wörter für einfache Sachverhalte verwandt. Aber es ist ja nicht so, dass die NPO davon nichts mitbekommen haben oder durchaus auch eigene Wortkreationen und Begriffe verwenden, die auf den ersten Blick schwer zu verstehen sind.

Nicht dieselbe Sprache sprechen würde ich aber lieber auf die Erwartungshaltung und die mit einer Zusammenarbeit verbundenen Ziele abstellen. Hier gehen die Richtungen oftmals komplett auseinander. Wir befinden uns immer noch häufig in einem Kommunikationsdilemma, welches daraus besteht, dass nicht offen, authentisch und transparent über die eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Zielvorstellungen gesprochen wird. Dieses ist aber absolut notwendig und unvermeidbar.

Was müssten NGOs ändern?

NPOs sitzen zu oft allein in ihren vier Wänden und überlegen sich, wie sie die Welt retten können. Sie gehen davon aus, dass ausschließlich sie dafür verantwortlich sind. Wir müssen dieses Sektorendenken ablegen beziehungsweise reduzieren. Unternehmen wollen nicht erst „am Ende“ kontaktiert werden mit der Vorlage von tollen Hochglanzbroschüren und der Möglichkeit zum Ankreuzen A, B oder C also Gold-, Silber-, Bronzepartner oder Ähnliches. Unternehmen wollen nicht nur als Finanzier gesehen werden. Unternehmen wollen von Anfang an mit eingebunden werden, denn ihre Aktivitäten erfolgen nicht im luftleeren Raum. Sie sind Teil der Gesellschaft, Mitbürger, Nachbar, Stakeholder und so weiter, und an der Übersetzung als institutioneller Bürger ist erkennbar, dass Unternehmen vom Anfang an dazugehören. Nicht erst, wenn die Probleme diskutiert wurden und die Themen bestimmt sind. Sondern direkt am Anfang wollen sie am Tisch dabeisitzen und sich gemeinsam um die gesellschaftlichen Themen kümmern. Dann sprechen wir auch von Unternehmenskooperation auf Augenhöhe – nicht am Ende. Dann kommen die NPOs als Bittsteller.

Gewinnung von Unternehmen

Was würden Sie für eine erfolgreiche Ansprache von Unternehmen raten?

Die erste Frage ist nicht wie ich Unternehmen anspreche, sondern welche Unternehmen ich mit welchem Ziel anspreche. Das ist aus meiner Sicht erst einmal die wichtigste Festlegung, woran viele Organisationen schon scheitern. Lege ich Wert auf den Ausbau der Beziehung zu bisherigen, vielleicht nur einmalig aktiven, Unterstützerinnen und Unterstützern oder geht es um die Gewinnung von gänzlich neuen und bisher nicht bekannten Unternehmen? Oftmals haben Vereine große Schätze und Potenziale in ihren eigenen Datenbanken und Aufzeichnungen. Es wird aber leider immer nur nach neuen und unbekannten Unternehmen geschaut. Somit: Konzentration auf bisherige Unternehmen und nicht immer ausschließlich auf „Neugeschäft“.

Wie gehe ich das an?

Erfolgreich ist eine Einladung von Unternehmen und der Dialog mit ihnen – und nicht das ausschließliche und penetrante aktive Werben um Unterstützung. Des Weiteren ist die Nutzung von bisherigen Kontakten zur Ansprache von neuen Kontakten (Empfehlung, Netzwerkarbeit, etc.), das sogenannte Empfehlungsmarketing, ein erfolgreiches Mittel um Türen zu öffnen. Wie kann ich meine bisherigen Unterstützer zu Multiplikatoren, Botschaftern und Wegbegleitern für meine eigene Arbeit machen? Ich muss verstehen, dass ich mit vielen Menschen mehr erreichen kann als allein. Das Nutzbarmachen von Netzwerken ist dabei ein wichtiges und erfolgversprechendes Mittel.

Es geht somit nicht unbedingt darum, ob ich erst anrufe oder eine Mail schreibe oder direkt hinfahre. Das sind Techniken und Vorgehensweisen, bei denen ich prüfen muss, welche am besten zu mir passen. Authentizität ist hier ein wichtiger Begriff.


Aktuell leiten Sie den neuen Kurs „Referent*in Unternehmenskooperation“ an der Fundraising Akademie . Was lernt man dort?

Es bedarf aufgeschlossener, spezialisierter und qualifizierter Kooperationspartner aus dem gemeinnützigen Sektor. Die Chancen für beide Seiten sind vielfältig und bergen ein hohes Innovationspotenzial. Bei der Grenzüberschreitung von Profit- und Non-Profit-Welt kann gemeinsam wesentlich mehr bewegt werden als jeder für sich. Mit unserer neuen Qualifizierung „Referent*in Unternehmenskooperationen (FA)“ geben wir hierauf die richtigen Antworten. Die Ausbildung eröffnet neue Perspektiven, bietet Strategien, Instrumente und Methoden an, um sich die Zielgruppe Unternehmen erfolgreich und sicher zu erschließen und sich für die anstehenden Entwicklungen zu rüsten.

Mit Ausgliederung dieses Handlungsfeldes aus der gesamtheitlichen CSR-Betrachtung bringen wir die Thematik auf eine neue fokussierte Ebene. Sie erhalten Wissen aus Theorie und Praxis für die erfolgreiche und wirkungsvolle Zusammenarbeit mit Unternehmen. Die Module der Fortbildung vermitteln in praxisorientierter Form die Grundlagen und die organisatorischen Voraussetzungen, um Unternehmenskooperationen erfolgreich umzusetzen sowie die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Fundraising mit Unternehmen. Die Teilnehmenden erfahren, welche Instrumente zur Verfügung stehen, welche Kooperationsformen es gibt und wie die Ansprache von potenziellen Kooperationspartnern gestaltet werden kann.

Was nimmt man aus dem Kurs mit?

Sie lernen, wie Sie strategische Kooperationen aufbauen, die zu Ihrer Organisation passen. Wir zeigen, wie Sie Unterstützungsanfragen und -bitten managen und selbst wirkungsvolle Projekte identifizieren. Wir betrachten Best-Practice-Beispiele, rechtliche Aspekte und passende Formate, wie Sie Mitarbeitende von Unternehmen motivieren und einbinden können. Sie lernen, anhand welcher Kriterien Sie potenzielle Partnerunternehmen auch mit knappen Ressourcen effektiv analysieren. Und wir beleuchten das große Thema Wirkungsanalyse und -orientierung – mit Blick auf den Business Case wie auch auf den Social Case.

An wen richtet sich der Kurs und welche Karrierechancen sind mit einem Abschluss verbunden?

Der Kurs richtet sich an Menschen, die an der Schnittstelle von Profit- und Non-Profit arbeiten oder arbeiten wollen. Er ist für diejenigen Menschen gedacht, die schwerpunktmäßig in gemeinnützigen Organisationen arbeiten und von dort aus Unternehmen für ihre Arbeit gewinnen möchten. Das sind schon bestehende Referentinnen und Referenten Unternehmenskooperation, die bereits als solche arbeiten, aber auch Personen, die sich erst jetzt das Aufgabenfeld erschließen wollen.

Der Unterschied zum Kurs „CSR-Manager*in“ liegt darin, dass wir einen Spezialbereich aus der CSR-Ausbildung herausgenommen haben und ihn einer fokussierten und umfassenden Betrachtung unterziehen. Da unterstützt uns die Erkenntnis, dass sich CSR so umfangreich entwickelt hat, dass man als Corporate Fundraiser*in nicht mehr sämtliche Themen wissen muss und möchte. Spezialisierung versus Generalisierung!

Und was die Karrierechancen betrifft: Da genügt ein Blick auf die aktuellen Stellenausschreibungen. Da geht enorm viel und der Bedarf in diesem Bereich wird immer größer.

Bildquellen

  • Hugo Pettendrup: privat
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