„Stiften ist modern und nachhaltig“

Nach Jobs bei der Lufthansa und der Deutschen Bank wurde Friederike von Bünau Geschäftsführerin der kirchlichen EKHN Stiftung. Seit gut einem Jahr ist sie Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Wir sprachen mit ihr über konservative Stifter, Fundraising, junge Erbinnen und Erben und Rahmenbedingungen für das Stiften in Deutschland.

NGO-Dialog: Sie wechselten von der Wirtschaft in eine Stiftung. Warum?

Friederike von Bünau: Weil Stiftungen großartig sind und weil ich bei meinem wirtschaftlichen und kaufmännischen Hintergrund immer das Gefühl hatte, ich würde diese Kompetenzen gern mit dem Sozialen und Kulturellen verbinden. So kam dann auch der Wechsel zustande. Ich war ja vorher im Investmentbanking tätig – eine spannende, arbeitsintensive Zeit. Am Dritten Sektor fand ich so faszinierend, dass die Menschen dort mit viel Leidenschaft an positiven Veränderungen in der Gesellschaft arbeiten.

Was macht Ihnen besonders viel Freude und was den meisten Ärger in Ihrem Job als Geschäftsführerin?

Es ist natürlich schön, wenn man Projekte finanziell und inhaltlich auf den Weg bringen und begleiten kann. Und die Themenvielfalt ist toll. Wir als EKHN Stiftung sind ja sehr breit aufgestellt. Leider müssen wir immer wieder auch Projekte absagen, was bedauerlich ist. So viele Ressourcen haben wir leider nicht, da würde ich mir wünschen, manchmal noch etwas größer und weiter denken zu können.

War das auch ein kleiner Kulturschock, dass man anders als bei einer Bank merkt, da geht jetzt nicht mehr alles?

Ja, das war schon eine Veränderung. Es ist einfach etwas anderes, für die Deutsche Bank in Frankfurt und London zu arbeiten oder für eine unabhängige kirchliche Institution. Beides hat Seiten, die inspirierend und andere, die schwieriger sind. Ein wichtiger Unterschied ist sicherlich, dass ich als Stiftung ganz andere Freiheiten habe zu agieren.

Sie sind Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Was würden Sie im Verband gern anschieben?

Im Bundesverband kommen zahlreiche Menschen zusammen, die unheimlich viel für das Gemeinwohl tun. Das finde ich sehr inspirierend. Die Interessen von über 4.500 Mitgliedsstiftungen mit den verschiedensten Zwecken, Zielen, Größen und aus allen Regionen Deutschlands zu vertreten, ist manchmal auch eine Herausforderung. Gerade vor dem Hintergrund dieser Vielfalt halte ich es für umso wichtiger, gegenüber der Politik eine einheitliche Interessenvertretung darzustellen. Gute Gesetze und Rahmenbedingungen zu schaffen ist da ein wichtiges Ziel. Außerdem möchten wir passende Dienstleistungen für unsere Mitglieder anbieten. Ein Verband lebt durch sie. Dass sie sich treffen, austauschen und vernetzen können, ist ebenfalls eine zentrale Aufgabe.

Sie animieren Stiftungen auch dazu, mehr miteinander zu kooperieren.

Vor dem Hintergrund der finanziellen Situation erscheint es naheliegend, dass Stiftungen kooperieren. Viele sind ja eher klein. Zwei Drittel der Stiftungen haben ein Stiftungskapital unter einer Million Euro, und bei der derzeitigen Lage am Kapitalmarkt erzielen viele von ihnen nicht genügend Erträge. Da ist es sinnvoll, eventuell sogar zusammenzugehen, um Kräfte zu bündeln. Dafür wollen wir auch Vernetzungsplattform sein.

Stiftungen sind nach einer Studie von Fairshare in der Leitung noch sehr männlich dominiert. Sollten Stiftungen aus Ihrer Sicht diverser aufgestellt sein?

Ich glaube, Stiftungen können mehr Diversität wagen. Das würde den Sektor stärken. Stiftungen gelten in der Öffentlichkeit oft als männlich und tendenziell konservative Organisationen. Dabei hat sich schon viel verändert, und das Stiftungswesen ist bunter und vielfältiger geworden. Doch die Breite unserer Gesellschaft bildet es noch nicht ab. Es gibt dabei zwei Dimensionen. Zum einen die Ebene der Organisationsstruktur. Da geht es um eine ausgewogene Geschlechterverteilung sowohl in der Führung als auch in der Mitarbeiterschaft. Und zum anderen die inhaltliche Ebene: Welche Themen werden in Förderprogrammen wie behandelt? Welche Zielgruppen und Schwerpunkte gibt es? Es ist wichtig, auch auf diese Komponenten zu schauen.

Viele Antragsteller von Stiftungen beklagen, dass sich Stiftungen wenig kooperationsbereit zeigen und lieber an vor Jahren beschlossenen Richtlinien festhalten. Wäre ein Diskurs mit den Antragstellern nicht besser, um mehr Wirkung zu erzielen?

Ich sehe das nicht so allgemein. Es gibt sicher immer noch diese sehr traditionellen Instrumente der Förderung, aber da Stiftungen sehr unabhängig sind, können sie gleichzeitig durchaus moderne Formen ausprobieren – und viele tun das auch. Beispielsweise auch mehr in Richtung Wagniskapital denken. Wir haben vor wenigen Wochen dem Unternehmer Hans Schöpflin den Deutschen Stifterpreis, eine der größten Auszeichnungen des Stiftungswesens, verliehen. Und gerade die Schöpflin Stiftung fördert junge Unternehmen und nimmt auch in Kauf, dass mal etwas nicht funktioniert. Anderes gelingt dafür großartig. Ich denke, es ist eine gute Idee, mit Antragstellern gemeinsame Lösungen zu finden.

Das Thema Fundraising wird bei Stiftungskongressen immer noch müde belächelt. Warum sind Stiftungen noch so zögerlich, ins Beziehungsmanagement einzusteigen?

Das würde ich differenzierter sehen. Sicherlich sehen nicht wenige im Fundraising vor allem eine Form der Mittelbeschaffung. Das Verständnis, dass es sich dabei um einen ganzheitlichen Ansatz handelt, ist noch nicht so verbreitet. Stiftungen hatten natürlich auch lange keine Not. Es gab eine gesicherte Ertragslage. Mittlerweile werden gerade die kleineren Stiftungen immer aktiver im Fundraising. Auch unsere Stiftung macht sich darüber Gedanken. Diese schwierige finanzielle Situation wird einiges verändern. Ich sehe da auch im Weiterbildungsbereich viele spannende Angebote und Möglichkeiten – auch bei der Fundraising Akademie.

Gerade das Thema Erbschaft und Testament scheint prädestiniert zu sein für Stiftungen. Aber viele Stiftungen haben das Thema nicht auf ihrer Website. Woher kommt die Berührungsangst?

Persönlich denke ich, dass einige Stiftungen sich damit eher schwertun. Vielleicht haben es auch soziale, karitative Zwecke im Bereich Nachlassmarketing leichter. Als Geschäftsführerin einer Kulturstiftung merke ich, dass unser Thema schwieriger zu vermitteln ist. Die Wichtigkeit eines Museumsbesuchs ist schwerer zu erklären als die eines warmen Mittagessens. Was wir allerdings auch erleben, ist, dass Stiftungen heute sehr viel früher gegründet werden. Also nicht mehr von Todes wegen, sondern zu Lebzeiten. Aktuelle Stifterinnen und Stifter möchten erleben, welche Wirkung sie erzielen.

Für viele junge Erbinnen und Erben ist ja das Vermögen eine Last, und sie wollen das wirkungsvoll investieren. Thema Impact Investing: Wie gut sehen Sie da deutsche Stiftungen aufgestellt?

Ich bin überzeugt, dass die Stiftungen und die Banken hier noch weiterdenken können. Die Sphäre des Finanziellen mit dem Inhaltlichen zusammenzubringen erscheint mir sinnvoll und zukunftsweisend. Das Vermögen hängt mit der Zweckverwirklichung zusammen. Da entsteht ein neues Bewusstsein, und Banken können das aufgreifen. Es gibt viel totes Kapital, das aktiviert werden könnte. Doch bei traditionellen Stifterinnen und Stiftern herrscht auch eine gewisse Skepsis. Weniger in Anglizismen zu sprechen, sondern das Gegenüber auch mit praktischen Beispielen mitzunehmen, könnte helfen. Das Thema Venture Philantropy nehme ich da nicht aus.

Sie sprachen vorhin auch von Rahmenbedingungen. Das neue Stiftungsregister soll erst 2026 kommen. Der richtige Weg zu mehr Transparenz im Stiftungssektor?

Ich denke, das ist der richtige Weg, und die Reform als Ganzes ist auch ein guter Schritt. Die Wahrnehmung von Stiftungen in der Öffentlichkeit kann sich dadurch schärfen und positiv verändern. Gut ist auch, dass wir durch diese Reform etwas flexibler werden. Der Ewigkeitsgedanke der Stiftung mag für jüngere Leute weniger attraktiv sein. Da kann beispielsweise eine Verbrauchsstiftung der bessere Weg sein.

Auf der anderen Seite bekommen dann Stiftungen bürgerlichen Rechts einen Rechtsformzusatz. Dürfen Vereine und GmbHs sich dann nicht mehr Stiftung nennen?

Vereine und GmbHs, die sich bisher Stiftung nennen, dürfen ihren Namen behalten. Sie bekommen dann nicht den Rechtsformzusatz. Wer dagegen heute einen Verein oder eine GmbH mit der Bezeichnung Stiftung im Namen gründen möchte, wird damit in der Regel keinen Erfolg haben, da die Registergerichte des Vereins- beziehungsweise Handelsregisters das als nicht mehr zulässig ansehen.

Geld gibt es in Deutschland genug. Sind sie auch Partner, um dieses Kapital für den gemeinnützigen Sektor zu gewinnen?

Im Rahmen der neuen Strategie des Bundesverbandes wird der Akquise ein deutlich höherer Stellenwert gegeben. Wir beraten auch zur Stiftungsgründung. Die wirtschaftlich schon sehr erfolgreiche jüngere Generation denkt das Thema Vermögen und Gemeinwohl schon viel mehr zusammen. Wenn das dann in eine Stiftung mündet, freuen wir uns. Grundsätzlich sind wir auch für andere Formen offen. Unser Hauptanliegen ist es jedoch, die Rechtsform Stiftung zu stärken und die Rahmenbedingungen dafür flexibel zu halten. Die Stiftung darf nicht als zu bürokratisch und konservativ wahrgenommen werden.

Stiftungen sind ja auch sehr alt …

Ja, im August war ich bei der Festwoche anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Fuggerei, der ältesten Sozialsiedlung der Welt, in Augsburg zu Gast. Da wird einem natürlich bewusst, wie nachhaltig diese Form ist, um das Gemeinwohl zu fördern. Und Nachhaltigkeit passt ja heute wieder sehr gut in die Zeit. Insofern sind wir schon wieder modern.

Bildquellen

  • Friederike von Bünau: privat
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