„Das Geld kommt nicht vom Zugucken“

Doris Voll liebt es, Menschen mit deren Themen zu begleiten und voranzubringen. Und das tut sie seit über 30 Jahren sehr erfolgreich. Außerdem ist sie eine begeisterte Netzwerkerin und Fundraiserin und erhielt deshalb kürzlich den Deutschen Fundraising Preis 2023.

Wie fühlt man sich als frischgebackene Preisträgerin des Deutschen Fundraising Verbandes? Sie wirkten bei der Preisverleihung immer noch überrascht.

Doris Voll: Ja, das war ich ehrlicherweise auch. Ich bin ja im Verband gar nicht so aktiv und berate eher kleine und regionale Organisationen beim Einstieg ins Fundraising. Wenn es dann in die Mühen der Ebenen und der Professionalisierung geht, verweise ich gerne an Kolleginnen und Kollegen. Aber dieses Ermutigen, als Verein oder Stiftung mal was auszuprobieren, das zählt sicher zu meinen Stärken. Auch wenn es beim ersten Mal nicht perfekt ist, ist es eine Erfahrung. Und deswegen, bin ich manchmal unsicher, ob ich eine „richtige Fundraiserin“ bin.

Aber Dr. Marita Haibach war da in ihrer Laudatio ganz anderer Meinung.

Ja, das fand ich auch sehr wertschätzend. Vieles, was man gemacht hat, hängt man selbst ja nicht so hoch auf. Deshalb freue ich mich schon sehr über den Fundraising-Preis.

Wann kamen Sie zum ersten Mal mit Fundraising in Berührung?

Ich komme ursprünglich aus der kirchlichen Jugendarbeit. Dort haben wir schon früh Haustürsammlungen für unseren Jugendraum gemacht. Ich hätte das damals nicht als Fundraising beschrieben, aber für mich war das Thema Spenden und sich ehrenamtlich zu engagieren immer sehr vertraut. Meine Eltern spenden heute immer noch an alle, die ihnen Briefe schreiben. „Man muss ja was geben, wenn jemand nett fragt“, sagen sie.

Viele haben Sie auf der Bühne des Fundraising-Kongresses zum ersten Mal in der großen Fundraising-Szene wahrgenommen. Was können Sie uns über sich erzählen?

Ich bin 1991 von Wiesbaden in die Nähe von Jena gezogen. Wir hatten die Idee, eine Jugendbildungsstätte aufzubauen und gründeten dafür einen Verein, Bildungswerk BLITZ e.V. Anbieten wollten wir Themen von der ökologischen Altbausanierung bis hin zur Jugendbildung, und Jugendsozialarbeit. Wir hatten viele tolle Ideen. Der Anfang war durchaus schwierig. Auf Landesebene stieß unser Verein, der aus Leuten aus dem Westen und aus dem Osten bestand, eher auf Skepsis. Ich habe sehr schnell gemerkt, dass sich jemand um die Finanzierung unserer Projekte kümmern muss. Wir haben dann mit vielen Stiftungen zusammengearbeitet und mit Unternehmen, die uns unterstützt haben. Dabei hab ich gemerkt, es macht mir sehr viel Freude, Menschen für eine Idee zu gewinnen. Ich hatte keine Berührungsängste, auf Unternehmen zuzugehen. Ich fand die Kontakte und Gespräche und die Anregungen sehr spannend. So bin ich ins Fundraising reingerutscht.

Und dann haben Sie diese ersten Erfahrungen aber gleich weitergegeben. Seit immerhin 20 Jahren organisieren Sie den Mitteldeutschen Fundraisingtag. Wie kam es dazu?

Wir haben dann schon in den 90er Jahren in der Jugendbildungsstätte Veranstaltungen organisiert, die als Seminarreihe zum „Finanzierungswissen für selbstorganisierte Initiativen“ ausgeschrieben wurden. Damals habe ich Diethelm Damm und Marita Haibach kennengelernt, Reinhard Lang, Fritz Haunert und Veronika Steinrücke. Viele Menschen, die jetzt auch noch bei der Fundraising Akademie sehr aktiv sind oder waren. Marita hat mich an den Fundraising-Verband herangeführt, und beim Fundraisingtag für Frauen habe ich viel gelernt. 2022 habe ich mich selbstständig gemacht und festgestellt, dass es für das Thema Fundraising in Thüringen, in den östlichen Bundesländern einen Beratungsbedarf gibt. Mit der Idee, eine Weiterbildungs- und Vernetzungsveranstaltung zu organisieren, ging ich zur Ernst Abbe Hochschule, damals noch Fachhochschule, und bin bei Professor Rainer Adler aus dem Fachbereich Sozialmanagement auf offene Ohren gestoßen. Seitdem kooperieren wir, auch mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Diakonie.

Was hat sich aus Ihrer Sicht in dieser Zeit im Fundraising in Mitteldeutschland verändert?

Als wir 2004 anfingen, gab es wenige Menschen, die sich Fundraiserin oder Fundraiser nannten. Mittlerweile ist das Wort und die Tätigkeit, die sich damit verbindet, viel bekannter geworden, auch wenn die die Zahl der hauptamtlichen Fundraiserinnen und Fundraiser immer noch übersichtlich ist. Es werden inzwischen Stellen ausgeschrieben, und Fundraising ist nicht mehr so exotisch. Ich erinnere mich noch gut, dass wir bei den ersten Fundraisingtagen das Wort immer noch übersetzen und erklären mussten. Das braucht man heute nicht mehr. Es würde mich sehr freuen, wenn der Fundraisingtag in Jena ein kleiner Baustein zu dieser Veränderung war.

Sie haben auch die Bürgerstiftung Jena mit aufgebaut. Wie war das?

Das war nicht einfach. Wir haben ehrenamtlich angefangen und hatten das große Glück, dass wir nach einer Weile von der Initiative Bürgerstiftung anteilige Personalkosten finanziert bekamen. So konnten wir mit einer kleinen Förderung der Stadt die Freiwilligenagentur aufbauen. Solche Gründungsphasen und sind zwar mit viel Begeisterung verbunden, aber schnell grenzwertig in der Belastung. Eigentlich leisten manche Menschen dort so viel bzw. tragen so viel Verantwortung wie Hauptamtliche. Das ist eine schwierige Situation.

Aber dass im Osten kein Geld da ist, das gespendet wird, kann man jetzt auch nicht sagen, oder?

Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Wir haben auch Großspenderinnen und Großspender im Osten, auch wenn wir vom Niveau der alten Länder noch entfernt sind. Was ich manchmal vermisse, ist der Wille zur Professionalisierung und der meistens damit verbundenen Hauptamtlichkeit. Eine professionelle Betreuung von Spenderinnen und Spendern komplett ehrenamtlich abzuwickeln ist oft nicht möglich. Dadurch fehlt es an Kontinuität in der Spenderbindung.

Professionalisierung ist ein Stichwort, denn Sie sind auch schon relativ lange bei der Fundraising Akademie aktiv. Wie kam es damals dazu und was machen Sie da?

Ich arbeite seit 2004 als Mentorin und betreue die Regionalgruppen der Akademie. Diese Arbeit mache ich sehr gern, weil es darum geht, das in den Modulen Erlernte in der Organisation praktisch umzusetzen. Wir beschäftigen uns mit Fragen wie: Wie überzeuge ich meinen Vorstand? Wie kriege ich die Kollegen mit ins Boot? Wie kriege ich die Infos, die ich brauche? Es gibt leider immer noch Organisationen, die die Ausbildung eines Mitarbeitenden bezahlen und hoffen, dass Fundraising dadurch zum Selbstläufer wird. Das klappt in der Regel nicht. Fundraising muss in der Organisation verankert werden. Das Geld kommt nicht alleine vom Zugucken und Engagement des Fundraisers. Trotzdem verstehe ich diese Schwierigkeiten und mag es, diese Prozesse und Entwicklungen zu begleiten.

Veränderungsbereitschaft ist ja momentan ein großes Thema. Auch viele Vereine sind davon betroffen. Stichwort: Generationenwechsel. Was raten Sie den Verantwortlichen als Organisationsberaterin?

Ganz ehrlich? Lassen Sie los! Das ist natürlich leichter gesagt als getan, weil wir an dem, was wir aufgebaut haben, oft mit dem Herzen hängen. Bei vielen Vereinen führt das aber dazu, dass die „Älteren“ den Jüngeren dieses Engagement nicht zutrauen. Ich kann aus eigener Erfahrung nur raten, komplett aus der Verantwortung zu gehen und sich zu verabschieden. Nachdem ich den Verein BLITZ e.V. und auch die Bürgerstiftung in Jena mit aufgebaut hatte und meine Rolle in der ersten Reihe verändern wollte, habe ich für mich gemerkt, dass ich es nicht ertrage, in der zweiten Reihe zu stehen und zuzuschauen. Ich sah zu viele Dinge, die ich anders machen würde. Mir war klar, dass ich mitreden will, wenn ich aktiv dabei bleibe. Dann gebe ich Kommentare ab, die ich anschließend bereue und meine, dass es so, wie ich es gemacht habe, richtiger war. Das ist einfach falsch, und es bremst den Elan der Jüngeren oder Neuen. Dann lieber das Feld bestellen und gehen und wenn es den Wunsch oder wenn es Fragen gibt, zur Verfügung zu stehen und sich darüber zu freuen. Das finde ich konsequenter und hilfreicher – für alle Beteiligten.

Sicher keine leichte Entscheidung.

Ja, aber mir hat die Erfahrung geholfen, dass ich nach einer Weile eine große Dankbarkeit und Wertschätzung aus den Organisationen erlebt habe. Und dann denke ich: Es war gut so und ich habe es richtig gemacht!

Bildquellen

  • Doris Voll: Elisabeth Glade
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