„Das Gold liegt im eigenen Garten“

Ein Bereich legt im Fundraising seit Jahren kontinuierlich zu: Fundraising im Gesundheitswesen. Wir sprachen mit Veronika Steinrücke, die gemeinsam mit Birgit Stumpf an der Fundraising Akademie eine Fortbildung „Referent*in Gesundheitsfundraising (FA)“ an den Start bringt.

ngo-Dialog: Wann wurden Sie zum ersten Mal im Fundraising tätig und was fasziniert Sie immer noch daran?

Veronika Steinrücke: Wenn man das Sozialsponsoring mit dazu nimmt, bin ich schon vor 30 Jahren im Fundraising tätig geworden. Die Agenturgründung von „steinrücke + ich“ war dann nur konsequent. Fasziniert hat mich immer, Menschen zu motivieren, dass sie sich dafür einsetzen, dass man wichtige Dinge gemeinsam realisieren und umsetzen kann. Und diese Motivation ist bis heute so geblieben. Noch immer brauchen wir viele Menschen, die sich mit einer großen oder auch kleinen Spende engagieren. Dafür möchte ich begeistern, deshalb mache ich den Job immer noch gerne.

Wir wollen ja heute über das Fundraising im Gesundheitswesen sprechen. Wird das Fundraising im Gesundheitsbereich noch auf der Kinderstation oder schon bei den Erwachsenen behandelt?

Aktuell müssen wir es wohl doch eher noch auf der Kinderstation verorten. Auch wenn es zunehmend mehr Gesundheitsorganisationen und auch Krankenhäuser beziehungsweise Kliniken gibt, die schon einige Jahre Fundraising betreiben, steckt es doch oft noch sehr in den Kinderschuhen. Das Potenzial ist groß, aber die Zurückhaltung, sich mit dem Thema Fundraising auseinanderzusetzen leider auch. Und die Angst, das notwendige Investment dafür zu tätigen, ist fast genauso groß.

Welche Erfahrungen machen Sie mit dem Thema Fundraising in gesundheitsbezogenen Einrichtungen?

Wir als Agentur haben schon für die verschiedensten Organisationen im Gesundheitsbereich gearbeitet. Ob das die Deutsche Krebshilfe, die Deutsche Herzstiftung oder die Deutsche Aids-Stiftung ist. Wenn wir hier über Fundraising im Gesundheitswesen sprechen, sind Organisationen wie die genannten weit vorn. Sie alle haben langjährige und vielfältigste Erfahrungen – und sind erfolgreich.

Der Gesundheitssektor, in dem Fundraising attraktiv ist, ist selbstverständlich viel größer. Da gibt es den großen Bereich der palliativen Medizin und der Hospize, von denen meines Wissens inzwischen fast alle Spenden sammeln – was im Übrigen wunderbar funktioniert. Als Spenden sammelnde Organisationen kommen seit einigen Jahren immer mehr Kliniken und Krankenhäuser hinzu, weil sie zunehmend Anliegen haben, die nicht ausfinanziert sind. Sie suchen nach Beratung und wollen das Fundraising in ihren Häusern aufbauen. Wir sind seit 15 Jahren aktiv im Krankenhaus-Fundraising unterwegs und sind dort mit dem Versand von Mailings an Patientinnen und Patienten oder auch großen Kapitalkampagnen die ersten, durchaus sehr erfolgreichen Schritte gegangen. Dennoch ist es erstaunlich, dass, obwohl die vergangenen Jahre gezeigt haben, dass Fundraising nicht nur in den genannten Spendenorganisationen, sondern gerade auch für Krankenhäusern und Kliniken gut funktioniert, viele von ihnen immer noch sehr zurückhaltend sind. Die Kliniken stellen sich heute immer noch die gleichen Fragen wie vor 15 Jahren: Wofür kann man eigentlich Spenden sammeln? Wie funktioniert das? Wie bekommt man Spenderinnen und Spender zum Beispiel für ein großes Uniklinikum oder für ein ganz normales kommunales Krankenhaus? Für welche Anliegen wird gegeben? Was zieht hier, spricht die Menschen an – und was nicht?

Das hört sich doch spannend und vielversprechend an. Warum tun sich denn viele Träger immer noch so schwer, für ihre Themen auch um Spenden zu bitten?

Ich finde es sogar super spannend. Und ich denke, viele der Einrichtungen tun sich schwer, weil sie es gewöhnt sind, für ihre Vorhaben entsprechende Gelder, staatliche Gelder, Fördergelder und Ähnliches zu bekommen. Das Thema Fundraising ist in deren DNA nirgendwo verankert. Und wie eben schon gesagt, wissen sie ganz oft auch nicht, wofür sie Spendengelder einwerben können. Es geht ja beim Spendensammeln für eine Gesundheitseinrichtung nicht um die Frage, wer finanziert mir meine Blinddarm-OP, sondern wer finanziert zum Beispiel eine außergewöhnliche Ausstattung, ein innovatives Gerät oder wer hilft beim Bau eines neuen Hospizes, einer neuen Kinderklinik oder neuem OP-Zentrum? Für viele ist das Spendensammeln einfach ungewohnt. Man empfängt eher Gelder, als dass man um Gelder bittet. Damit tun sich Krankenhäuser und Kliniken erst einmal viel schwerer als die großen Gesundheitsorganisationen wie die Aidshilfe oder die Deutsche Krebshilfe. Das sind ja klassische Spendenorganisationen, die viele Spenden erhalten und die in der Regel keine Probleme mit der Spendenbitte haben.

Die Fundraising Akademie bietet demnächst einen Kurs zum Thema Fundraising im Gesundheitswesen mit Ihnen als Studienleiterin an.

Ja, gemeinsam mit Birgit Stumpf, die ja ebenfalls schon seit Jahren sehr erfolgreich im Gesundheits-Fundraising unterwegs ist und schon lange die Fachgruppe Gesundheit im Deutschen Fundraising Verband leitet.

Für wen ist der Kurs gemacht?

Zuallererst wollen wir mit dem Kurs Organisationen, Kliniken und Krankenhäuser ansprechen, die sich bereits die Frage gestellt haben, wie man Fundraising für ihre Organisation beziehungsweise ihr Haus machen kann und sich mit ein paar grundsätzlichen Fragestellungen schon auseinandersetzt haben. Sie wollen wir ermutigen und befähigen, Fundraising in ihrer Organisation oder Einrichtung zu implementieren. Und zwar so systematisch und nachhaltig, wie wir es uns als Fundraiserinnen und Fundraiser wünschen und wie sie es für ihre Anliegen brauchen. Ihnen wollen wir wichtige Konzeptions- und Instrumententools an die Hand geben, um damit Fundraising auf allen Ebenen spielen zu können. Das gibt ihnen Sicherheit. Gerade in Krankenhäusern und Kliniken sind sie ja noch sehr oft Einzelkämpferinnen und -kämpfer, die sich gegen interne Widerstände durchsetzen müssen.

Was dürfen wir für Inhalte erwarten und wer wird die vermitteln?

Es gibt drei Präsenzphasen mit jeweils vier Tagen, wo es um nichts anderes geht als um Fragen und Themen rund um das Fundraising im Gesundheitsbereich. In der ersten Präsenzphase starten wir selbstverständlich mit den Grundlagen. Da geht es unter anderem um den Aufbau und die Implementierung des Fundraisings in der eigenen Organisation und um die Vermittlung der zentralen Instrumente und Methoden. Ebenso geht es um die Frage nach den Rollen und Aufgaben einer Fundraiserin und eines Fundraisers oder auch um ganz konkrete Themenstellungen: Wie baue ich eine Hausliste auf? Welche Rolle spielen Patientinnen und Patienten und Besucherinnen und Besucher für das Fundraising?

In der zweiten Präsenzphase steht das Thema Großspenden im Mittelpunkt, wobei wir als potenzielle Großspenderinnen und Großspender hier nicht nur Privatpersonen, sondern auch Stiftungen und vor allem Unternehmen im Fokus haben. Denn Unternehmen spielen im Fundraising für das Gesundheitswesen eine besondere Rolle, weil sie ganz eigene Interessen haben wie die Attraktivität des Wirtschaftstandortes auch durch eine gute medizinische Infrastruktur. Die Ansprache möglicher Großspenderinnen und Großspender wollen wir aber nicht nur theoretisch vermitteln.

Was ist geplant?

Im Rahmen des Kurses möchten wir solche vermögenden Menschen für ein abendliches Kamingespräch einladen. Einen anderen Abend werden die Teilnehmenden mit einer Kommunikationstrainerin Gespräche mit vermögenden Personen simulieren und trainieren. Wir wollen also nicht nur vermitteln: „So müsstet ihr es tun“, sondern auch, dass sie wissen, wie sie es tun können.

Und die dritte Präsenzphase?

In dieser Phase liegt der Fokus auf der Konzeption zum Beispiel von Capital Campaigns. Denn eine der zentralen Herausforderungen, die wir im Gesundheitsbereich oft haben, ist die Finanzierung beispielsweise von großen Bauvorhaben oder der Anschaffung großer und damit teurer Geräte. In der dritten Woche geht es also um die Generierung großer Summen und um die Frage, wie plane und organisiere ich eine solche Kampagne? Das wollen wir, wie es an der Fundraising Akademie üblich ist, nicht nur in der Theorie tun, sondern als sogenannte Agenturarbeit an ganz konkreten Fallbeispielen aus der eigenen Praxis angehen und umsetzen. Das ist der inhaltliche Bogen.

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass wir als Referentinnen und Referenten nur erfahrene Kolleginnen und Kollegen ansprechen, die im Bereich des Gesundheits-Fundraisings vielfältige Erfahrungen haben. Sei es Pit Horst vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein oder Eckhard Schenke von der Medizinischen Hochschule Hannover. Wir wollen versuchen, deren mehr als 10 bis 15 Jahre Erfahrung mitzunehmen und so möglichst nah an der Realität zu bleiben.

Was würden Sie Kliniken empfehlen, wenn sie ins Fundraising starten wollen? Was müssten sie auf jeden Fall beachten?

Neben einem guten, attraktiven und zugkräftigen Projekt brauchen Sie zu aller erst eine Person, die sich im Haus von Anfang ums Fundraising kümmert. Und dann brauchen sie eine eigene Struktur in dem Sinn, dass man mit den wichtigen Entscheiderinnen und Entscheidern ein internes Steuerboard bildet, die aktiv mitziehen und dafür sorgen, dass das Thema im Haus beziehungsweise in der Organisation ankommt und auch von allen mitgetragen wird. Denn wenn das Fundraising nicht von vornherein im gesamten Haus verankert und als notwendig ernstgenommen wird, dann kann es nicht funktionieren. Über das Schaffen einer Struktur hinaus wäre es ideal, wenn man in den Krankenhäusern die Basis legt, um Patientinnen und Patienten von Beginn an einzubeziehen und entsprechend um eine Spende fragen zu können – im Sinne von: Dürfen wir euch was zuschicken? Genau hier beginnt es für die Krankenhäuser interessant zu werden. Denn das Schöne für diese ist: Ihr Gold liegt im eigenen Garten. Sie müssen den Schatz nur heben.

Die Fortbildung „Referent*in Gesundheitsfundraising (FA)“ startet am 29. August in Hofgeismar und besteht aus drei Präsenzphasen.

Bildquellen

  • Veronika Steinrücke: privat
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