Schwierige Themen im Fundraising

Es gibt schwierige Themen im Fundraising. Hospize und Wohnungslosigkeit gehören dazu. Doch trotzdem gibt es Menschen, die für diese Themen spenden. Dabei wenden die Organisationen verschiedene erfolgversprechende Fundraising-Strategien an.

Warum spenden Menschen für Kinder und Tiere lieber als für Wohnungslose und Drogenabhängige? „Weil die nichts für ihr Schicksal können“ – das ist die häufigste Antwort auf diese Frage unter Fundraising-Experten. Dabei ist es eigentlich nicht so einfach. Nach einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG-W) leben rund 41.000 Menschen im Laufe eines Jahres ohne jede Unterkunft auf der Straße – die meisten in großen Städten. Nach einer Studie der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. zur Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind Mietschulden mit 85 Prozent einer der häufigsten Gründe für Obdachlosigkeit. Hinzu kämen oft Trennungen, Schicksalsschläge, Krankheiten und der Verlust der Arbeit. Das heißt auch, dass dieses Schicksal jeden treffen kann. Aber nach einer Studie der Caritas von 2008 haben nur vier Prozent der Deutschen überhaupt persönliche Kontakte zu Obdachlosen. Das Thema ist unsichtbar.


Themen sichtbar machen

Eine Strategie, dem zu begegnen, ist es, Wohnungslosigkeit sichtbar zu machen. Noch in Erinnerung ist die preisgekrönte Mailingkampagne von Götheborg Homeless, die ihren Spendenbrief in einen Straßengraben werfen lies und am nächsten Morgen von Obdachlosen einsammeln und trocknen lies. Danach wurden die handbeschrifteten Briefe per Post versandt. Im ersten Satz stand: „Bitte entschuldigen sie, aber der Brief hat eine Nacht auf der Straße verbracht.“ So wurde Obdachlosigkeit plötzlich fühlbar. Die Spendenaktion war ein großer Erfolg. Auch die Kältehilfe-Aktion der Berliner Stadtmission baut in guter Regelmäßigkeit darauf, die Menschen besonders in der Zeit überzeugen wollen, wo man sich am wenigsten vorstellen kann auf der Straße zu leben – im kalten Winter.

Der Schock ist nur der Aufhänger

Eine andere Strategie, Aufmerksamkeit zu wecken, ist der Schock-Effekt. Auch im Tierschutz ein gern angewandtes Thema, wenn zum Beispiel Jagdgegner nackt, blutüberströmt und publikumswirksam im Eingangsbereich von Jagd-Messen liegen. Spenden erhält man hier als Stellvertreter. Denn Menschen suchen eigentlich nicht die Konfrontation, finden es aber gut, wenn es Andere für sie tun. Der Spender sucht sich also einen Stellvertreter, der für ihn kämpft. Das Spendenziel ist also gar nicht unbedingt in erster Linie das Thema, sondern der Aktivist oder die Aktivistin, die sich darum kümmern. Nachteilig an der Schock-Strategie ist, dass sich dadurch viele Menschen auch abgestoßen fühlen können. Sie versuchen solche Bilder im Kopf lieber zu vermeiden.


Stellvertreter-Fundraising

Deshalb versuchen andere Organisationen, die Menschen nicht direkt mit Tabus zu konfrontieren, sondern sammeln Gelder über Dritte. Beispiele findet man hier besonders im Hospizbereich. Auch zu Corona-Zeiten gab es beispielsweise Livestreams von Künstlern zugunsten von Hospizen. Der Tod, der oberflächlich mit dem Hospiz verbunden ist, rückt dabei in den Hintergrund, weil auch hier der Akteur, der sich engagiert, in den Vordergrund rückt. Da passt es auch, dass diese Künstler ihre eigene Fanbase auf das Thema aufmerksam machen. Ein gelungenes Fundraising-Beispiel sind hier auch die Kondolenzspenden, die besonders in diesem Bereich sehr gut funktionieren. Es wird quasi als letzte Ehre gesehen, dem Hospiz im Sinne der oder des Verstorbenen eine Spende zukommen zu lassen. Das funktioniert natürlich auch mit Geburtstagsspendenaktionen, bei denen Jubilare auf Blumen und Geschenke zugunsten eines Hospizes oder auch für andere Themen verzichten.


Respekt vor dem Sterben

Ein Beispiel, wie man das Thema Tod doch ins Bewusstsein rücken kann und trotzdem Spenden erhält, ist der Wünschewagen des Arbeiter Samariter Bundes, der todkranken Menschen letzte Wünsche erfüllt. Ein medizinisch ausgestatteter Transporter bringt diese Menschen an gewünschte Orte: ins Delfinarium, zu alten Freunden, an die See oder ins Gebirge. Den Spendern ist hier klar, dass diese Menschen unheilbar krank sind und sterben werden. Ihnen den Abschied aber leichter zu machen, also Mitleid oder auch Respekt vor dem letzten Wunsch zu zeigen, ist eine mächtige Motivation für das Fundraising. „Mit dem Wünschewagen schafft man es, über Emotionen ein solches Tabu-Thema wieder näher ranzuholen“, beschreibt es eine Mitarbeiterin des ASB in einem Video.

Überhaupt hat sich der Umgang mit dem Tod in den letzten Jahren gewandelt. Dazu haben sicher auch die Allgegenwärtigkeit des Todes in den Medien aber auch in der Werbung beigetragen. Dazugekommen ist das Thema Vorsorge. Gerade in der Corona-Zeit haben viele Organisationen gemerkt, dass die Nachfrage nach Themen wie Testament und Vorsorgevollmacht deutlich gestiegen ist. Deshalb bieten aktuell viele Organisationen auch Gesprächsmöglichkeiten per Zoom, Informationsvideos und sogar Livestreams mit Testamentsberatung an, wie das Fundraiser-Magazin berichtet. Hier zählt also der Servicegedanke, der von potenziellen Testamentsgebern dankbar wahrgenommen wird.


Offensiv: Sargbau-Workshop

Wie man offensiv mit dem Thema Tod und Sterben umgeht, zeigt das Beispiel des Sargbau-Workshops des Lazarus-Hospiz in Berlin anlässlich des Welt-Hospiztags 2018, das es damit auch in die Medien schaffte. „Es geht primär darum, seine Haltung dem eigenen Sterben gegenüber zu reflektieren. Die Teilnehmer sollen über den Sinn des Lebens nachdenken und lernen, ihre Lebenszeit zu genießen“, erläuterte Lydia Röder, Leiterin des ambulanten Lazarus Hospizdienstes der Berliner Zeitung gegenüber.

Bildquellen

  • Plakataktion für den ASB-Wünschewagen 2018: ASB | Wünschewagen.de
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner