Misstrauen gegenüber NPO
Während der Pandemie hatte sich das Vertrauensverhältnis zwischen Bevölkerung und NPOs, aber auch öffentlichen Institutionen deutlich verbessert. Doch schon 2022 sank das Vertrauen deutlich und hat sich 2023 nur stabilisiert. NPOs schlägt Misstrauen entgegen.
Jedes Jahr stellt Edelmann Trust Barometer eine Studie zum Vertrauen in Gesellschaften weltweit her. Dabei wird auch nach dem Vertrauen in Non-Profit-Organisationen (NPO) gefragt. Im Bericht für Deutschland ist von einer wachsenden Polarisierung der Gesellschaft die Rede, die auch das Vertrauen in Institutionen weiter schwächt.
Schon 2022 hatte es einen enormen Absturz der Vertrauenswerte gegeben. Den Spitzenplatz als vertrauenswürdigste Institution hierzulande musste die Regierung mit deutlichen Vertrauensverlusten von 12 Prozentpunkten mit 47 Prozent knapp der Wirtschaft mit 48 Prozent überlassen, die nur sechs Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2021 verlor. Gleichauf mit der Regierung landeten die Medien (47 %), gefolgt von den NGOs mit lediglich 40 Prozent, was einem Verlust von sechs Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr entsprach.
Kein Vertrauen in deutsche Institutionen
Auch 2023 hat sich an dem Bild wenig verändert. Immer noch liegen die Werte unter 50 Prozent, was ein Misstrauensvotum gegenüber allen Institutionen darstellt. So schafft es lediglich die Wirtschaft, dass ihr zumindest die Hälfte der Deutschen ihr Vertrauen ausspricht, ein Plus von zwei Prozentpunkten zum Vorjahr. Regierung und Medien folgen unverändert mit 47 Prozent. Die NPOs legen mit 41 Prozent einen Prozentpunkt zu. Ein Grund für diese weiterhin schlechte Bewertung könnte sein, dass im Gegensatz zur Wirtschaft NPOs zwar als ethischste Institution, aber nicht als kompetent handelnd wahrgenommen werden. Im Gegensatz zur Wirtschaft, die beide Eigenschaften positiv auf sich vereinen kann (siehe Grafik). NPOs werden auch nur von 30 Prozent als Produzenten von Falschinformationen gesehen im Unterschied zu Regierung und Medien mit über 40 Prozent.
Verantwortlich für fehlendes Vertrauen ist auch die zunehmende Zukunftsangst der Deutschen und die Polarisierung in der Gesellschaft. Nur 15 Prozent der Deutschen glauben, dass es ihnen und ihrer Familie in fünf Jahren besser gehen wird. Mögliche Faktoren für die düsteren Zukunftsaussichten sind hohe persönliche wirtschaftliche Ängste sowie gesellschaftliche, existenzielle Ängste. So sorgen sich hierzulande 80 Prozent der Arbeitnehmenden vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und 69 Prozent der allgemeinen Bevölkerung vor der Inflation. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Ängste zeigt sich deutlich ein Abbild der aktuellen geopolitischen Herausforderungen: 73 Prozent sorgen sich wegen des Klimawandels, 68 Prozent vor einem Atomkrieg, 62 Prozent befürchten Nahrungsmittel- und 61 Prozent Energieknappheit.
Polarisierung wird stärker
Welchen Einfluss die Ängste und das Misstrauen auf die Grundstimmung der Deutschen haben, zeigt sich bei der Frage, wie gespalten die Befragten ihr Land sehen und ob sie diese als überwindbar empfinden. Noch halten es die Deutschen für sehr schwer, aber nicht unmöglich, die Spaltungen zu überwinden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich die Gesellschaft so stark spaltet, dass sie nicht mehr in der Lage ist, diese Gräben zu überwinden. Dies ist zum Beispiel bei Ländern wie Argentinien, Kolumbien, den Vereinigten Staaten, Südafrika als auch Spanien und Schweden der Fall, in denen sich die gesellschaftlichen Fronten noch deutlicher verhärtet haben. „Als Treiber für die Polarisierung tun sich global vor allem fehlendes Vertrauen in die jeweilige Regierung, Mangel einer gemeinsamen Identität und systemische Ungerechtigkeit hervor. Hinzukommen der benannte ökonomische Pessimismus, gesellschaftliche Ängste sowie das Misstrauen in die Medien. Die Krux dabei: die Intensität der Polarisierung hat einen Einfluss auf das Vertrauen. Länder, deren Bevölkerung ihr Land als polarisiert ansieht, setzen weniger Vertrauen in die Institutionen, was wiederum die Polarisierung verstärkt – ein Teufelskreis“, sagt Christiane Schulz, CEO Edelman Deutschland.
Soziales Gefüge unter Druck Die Auswirkungen der gesellschaftlichen Spaltung haben einen Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. So sagen über zwei Drittel der Menschen hierzulande (70 %), dass der Mangel an gegenseitigem Respekt noch nie so groß war. 62 Prozent sind der Meinung, dass das soziale Gefüge zu schwach ist, um als Grundlage für Einigkeit und gemeinsame Ziele zu dienen. Auf zwischenmenschlicher Ebene ergibt sich ein alarmierendes Bild: Nur 26 Prozent der deutschen Befragten, die eine starke Meinung zu einer gesellschaftlichen Frage haben, würden Menschen, die in dieser Frage anderer Meinung sind als sie, helfen, wenn sie Hilfe bräuchten, nur 23 Prozent würden sie als Nachbarin oder Nachbar akzeptieren, und nur 26 Prozent würden Andersdenkende als Arbeitskollegen oder -kolleginnen haben wollen. Dieses hohe Maß an fehlender Empathie, Solidarität und Diskursfähigkeit ist erschreckend. Der Unterschied zwischen dem Vertrauen von Menschen mit hohem und niedrigem Einkommen in die gesellschaftlichen Institutionen beträgt in Deutschland schon 18 Prozentpunkte. Viele fühlen sich also abgehängt und quittieren das mit Vertrauensverlust in das Land und seine Gemeinschaft.
Mitdiskutieren beim Alumni-Treffen der Fundraising Akademie
Diskutiert wird das Thema „Vertrauensverlust in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – Was ist die Rolle der NGOs?“ beim Fundraising Lab, dem Alumni-Treffen Fundraising Akademie am 15. und 16. September in Frankfurt am Main. Auch Gäste sind herzlich eingeladen teilzunehmen. Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) und Mitglied im Deutschen Ethikrat wir dort unter anderem zum Thema „Vertrauensverluste und autoritär-populistische Versuchungen. Sozialethische Anmerkungen zu Herausforderungen von NGOs in verunsicherten Zeiten“ sprechen. Ebenfalls dabei Prof. Dr. Doron Kiesel, Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland und Direktor der Jüdischen Akademie (i. G.), dessen Interview mit dem ngo-dialog Sie hier lesen können. Das komplette Programm der Tagung hier.
Bildquellen
- Grafik-Vertrauen in NPO-2023: Edelmann Trust Barometer
- Schild mit der Aufschrift Trust me: gustavofrazao/AdobeStock