„Stiftungsarbeit ist Therapie“

Stephanie Heinze ist gerade mit dem Bürgerpreis der Stadt Frankfurt am Main ausgezeichnet worden. Als Vorstand der Hilde-Ulrichs-Stiftung für Parkinsonforschung engagiert sie sich ehrenamtlich für medizinische Forschung, die neue Behandlungsansätze ohne Medikamente fördert. Das tut sie jeden Tag: engagiert, motiviert und ehrenamtlich. Und mit Parkinson.

NGO-Dialog: Sie haben den Bürgerpreis der Stadt Frankfurt am Main verliehen bekommen. Was werden Sie mit dem Preisgeld machen?

Stephanie Heinze: Ich weiß gar nicht genau, wie viel Geld das überhaupt ist. Ich freue mich über die Preisverleihung aber riesig! Denn in der Stadt Frankfurt hat so eine Auszeichnung natürlich auch einen gewissen Stellenwert, und wann bekommt man schon einen Preis für bürgerschaftliches Engagement in der Paulskirche überreicht? Was ich mit dem Geld mache, habe ich noch gar nicht überlegt, denn meine Kolleginnen im Vorstand haben mich bestärkt, dass Geld einmal nicht zu spenden, sondern für mich zu verwenden. Ich werde mir also etwas Schönes gönnen.


NGO-Dialog:
Sie engagieren sich für die Hilde-Ulrichs-Stiftung für Parkinsonforschung. Erzählen Sie uns doch bitte etwas darüber!

Stephanie Heinze: Ich erhielt 2008 mit 39 Jahren die Diagnose Morbus Parkinson. Das war natürlich keine Freude, sondern eher ein Schock, und es war auch ein Weg, das zu akzeptieren und damit umzugehen. Sechs Jahre habe ich am Anfang noch voll gearbeitet, bis ich in die Stiftung kam. Hilfreich war, dass ich bei einem Besuch einer Selbsthilfegruppe den Stifter der Hilde-Ulrichs-Stiftung, Hermann Terweiden, kennenlernte, der damals schon schwer erkrankt war. Er erzählte mir von seiner Stiftung, die nicht-medikamentöse Therapien fördert mit dem Schwerpunkt auf Sport und Bewegung. Das wiederum interessierte mich sehr, weil ich immer schon Sport gemacht habe. Sie müssen sich vorstellen, ich wusste gar nichts über die Krankheit und war für jede Hilfe dankbar. Ich lernte auch, dass zehn Prozent der an Parkinson Erkrankten bei der Diagnose unter 40 Jahren sind. Parkinson ist also keine Alterskrankheit mehr. Und dann habe ich einfach das befolgt, was mir mein Neurologe sagte: Gehen Sie nach draußen! Öffnen Sie sich! Stehen Sie zu der Erkrankung, gehen Sie damit raus und verschließen Sie sich nicht!

Zu Parkinson muss man stehen!

NGO-Dialog: Ging es auch darum zu sagen: „Jetzt erst recht!“?

Stephanie Heinze: Ja, genau. Natürlich hat man Angst vor dieser Krankheit, wenn man noch nicht aufgeklärt ist. Das Umfeld reagiert nach so einer Diagnose auch entsprechend. Ich hab dann aber schnell gemerkt, wie viel mir die Stiftungsarbeit da auch zurückgibt. Heute, nach 15 Jahren, geht es mir körperlich noch immer sehr, sehr gut und ich bin dankbar, dass noch eine Menge geht. Noch etwas zu machen, eine Aufgabe zu haben, war enorm wichtig. Heute weiß ich: Die Stiftungsarbeit war für mich auch eine Therapie.

NGO-Dialog: Sie sind sogar den Jakobsweg entlang gepilgert. Wie kam es dazu?

Stephanie Heinze: Ja – zehn Jahre nach meiner Diagnose. Ich hatte meine Freundin Eva Maria (70 Jahre) und ihren Mann, der ebenfalls an Parkinson erkrankt war, gleich zu Beginn meiner Erkrankung 2008 kennengelernt, und wir haben uns sehr gut verstanden. Der Wunsch, gemeinsam zu wandern beziehungsweise den Jakobsweg entlang zu pilgern, hatten wir schon früh. Aber ihr Mann war schwer krank und wurde zum Schluss von ihr gepflegt. Nach dessen Tod haben wir das dann in Angriff genommen.

NGO-Dialog: Aber gleich 560 Kilometer?

Stephanie Heinze: Ja, wir waren 2018 insgesamt 28 Tage unterwegs, und es war eine Riesenerfahrung für uns beide. Ich habe eine Bewegungsstörung und habe es trotzdem geschafft. Für uns war das ein sehr tolles Erlebnis und wir haben mit dem Projekt auch viele Menschen berührt.

Fundraising für schwieriges Thema

NGO-Dialog: … und die Pilgerreise gleich fortgesetzt, Vorträge gehalten und Spenden gesammelt.

Stephanie Heinze: Das Echo war riesig. Schon vor Abflug hatten wir über 14.000 Euro zusammen. Eva-Maria hatte in Thüringen, wo sie wohnt, die Werbetrommel gerührt und viele Ärzte und Gemeinden angesprochen. Wir hatten da eine echt große Resonanz. Zwei Tage vorher kam dann der Hessische Rundfunk vorbei und drehte einen Bericht. Erst als ich den Film am nächsten Tag gesehen habe, begriff ich, was ich mir da aufgebürdet hatte. Da habe ich nochmal auf der Landkarte gesehen, welchen Weg ich gehen werde. Das, was bleibt, sind natürlich die positiven Erinnerungen, aber klar, ich bin auch persönlich über mein Grenzen gegangen. Die Berge waren schon nicht so einfach, aber ein tolles Erlebnis. Mit der Vortragsreihe kamen insgesamt 20.000 Euro zusammen. Uns ging es aber nicht darum, dass jeder den Jakobsweg gehen, sondern dass man aktiv werden soll. Jeder muss seinen eigenen Weg mit der Krankheit gehen und sich Ziele setzen – und wenn es nur der Weg zum Bäcker ist, den man zu Fuß statt mit dem Auto bewältigen kann.

NGO-Dialog: Parkinson ist ein eher schwieriges Spendenthema. Wie schaffen Sie es trotzdem, zu überzeugen?

Stephanie Heinze: Man muss motivierend auftreten und Mut vorleben. Gerade bei dem Jakobsweg-Projekt habe ich selbst gemerkt wie positiv die eigene Leistung auch auf Menschen ohne Parkinson wirkt. Gerade letztes Jahr wieder als Axel Kuba mit dem Fahrrad die Pyrenäen überquert hat. Das war eine wahnsinnige Leistung. Aber was wir vermitteln wollen ist nicht der Sport, sondern Mut und Zuversicht: Da geht was!

Ausbildung an der Fundraising-Akademie

NGO-Dialog: Sie haben Ihre Stiftungsausbildung 2015 an der Fundraising Akademie gemacht?

Stephanie Heinze: Ich war in der Vorstellungsrunde ein absoluter Neuling, und dort waren einige Leute, die schon in Stiftungen angestellt waren. Ich hatte da keine Vorstellungen, bin aber sehr offen an das Thema rangegangen. Eine echte Hilfe für mich war die Meinung der Kolleginnen und Kollegen, dass in der Stiftung ein Riesenpotenzial steckt. Auch der mir entgegenkommende Respekt, mich trotz Krankheit dem Thema zu widmen, hat mich beflügelt. Das war mein Schlüsselerlebnis. Vieles habe ich erfolgreich umsetzen können, gerade bei Benefizaktionen. Man hat es einfach gemacht!

NGO-Dialog: Wo steht Ihre Stiftung jetzt?

Stephanie Heinze: An einem Scheidepunkt. Wir sind jetzt gerade an einem Punkt, wo sie wirklich wächst. Ich bin sehr froh, jetzt auch viel mehr Unterstützung in der Stiftung zu haben. Das würde ich alleine gar nicht schaffen. Ich bin deshalb froh, mittlerweile erfahrene Stiftungskolleginnen und -kollegen mit an Bord zu haben. Ich bin ja kein Vollprofi und hab mir das alles selbst aneignen müssen. Erfahrene Sparringspartner sind da schon eine echte Hilfe.

NGO-Dialog: Was würden Sie denn der Fundraising Akademie mit auf den Weg geben?

Stephanie Heinze: Die Seminare sind wirklich erstklassig, und auch die Vortragenden waren für mich sehr motivierend und haben mich teilweise noch weiter mit Rat und Tat unterstützt. Ich würde mir wünschen, dass es noch ein Mentoring-Programm gibt, damit die Projekte noch etwas länger begleitet werden, gerade für kleinere Stiftungen. Eines möchte ich aber wirklich noch hinzufügen: Ich hatte während des ganzen Kurses eine wunderbare Betreuung durch Ingrid Alken und dem Team der Akademie. Ich habe auch die individuelle Förderung sehr geschätzt. Gut war auch, das Konzept für die eigene Stiftung als Praxisprojekt schreiben zu können. Das hat mir echt viel gebracht, denn das dort entwickelte Stiftungskonzept war für die Stiftung enorm wichtig. Ich versuche immer, allen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand und Kuratorium zu vermitteln, dass jeder ein Fundraiser ist. Schon wenn man über die Stiftung erzählt, hat das eine positive Wirkung.

Bildquellen

  • Stephanie Heinze: privat
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