Fundraising für schwierige Themen

Es gibt schwierige Themen im Fundraising. Sterben und Wohnungslosigkeit gehören dazu. Doch trotzdem gibt es Menschen, die für diese Themen spenden. Dabei wenden die Organisationen verschiedene erfolgversprechende Fundraising-Strategien an.

Warum spenden Menschen für Kinder und Tiere lieber als für Wohnungslose oder Drogenabhängige? „Weil die nichts für ihr Schicksal können“ – das ist die häufigste Antwort auf diese Frage unter Fundraising-Experten. Dabei könnte jeder von Wohnungslosigkeit betroffen sein. Studien zeigen, dass Mietschulden einer der häufigsten Gründe für Obdachlosigkeit ist. Hinzu kämen oft Trennungen, Schicksalsschläge, Krankheiten und der Verlust der Arbeit. Aber nur sehr wenige Deutschen haben überhaupt persönliche Kontakte zu Obdachlosen. Das Thema ist unsichtbar.

Themen sichtbar machen

Wohnungslosigkeit sichtbar zu machen ist also eine Strategie. Eine Initiative ging sogar noch einen Schritt weiter. Die Initiative Götheborg Homeless lies ihren Spendenbrief in einen Straßengraben werfen und am nächsten Morgen von Obdachlosen einsammeln und trocknen. Danach wurden die handbeschrifteten Briefe per Post versandt. Im ersten Satz stand: „Bitte entschuldigen Sie, aber der Brief hat eine Nacht auf der Straße verbracht.“ So wurde Obdachlosigkeit nicht nur sichtbar, sondern plötzlich fühlbar. Die Spendenaktion war ein großer Erfolg. Auch die Kältehilfe-Aktion der Berliner Stadtmission baut in guter Regelmäßigkeit darauf, die Menschen besonders in der Zeit überzeugen zu wollen, wo man sich am wenigsten vorstellen kann auf der Straße zu leben – im kalten Winter.

Der Schock ist nur der Aufhänger

Eine andere Strategie, Aufmerksamkeit zu wecken, ist der Schock-Effekt. Besonders im Tierschutz ein gern angewandtes Thema, wenn beispielsweise Tierschützer nackt, „blutüberströmt“ und publikumswirksam im Eingangsbereich von Jagd-Messen liegen. Spenden erhält der Tierschutz hier als Stellvertreter. Denn Menschen suchen eigentlich nicht die Konfrontation, finden es aber gut, wenn es Andere für sie tun. Das Spendenziel ist also gar nicht unbedingt in erster Linie das Thema, sondern die Aktivistin oder der Aktivist, die sich um die Mission kümmern. Nachteilig an der Schock-Strategie ist, dass sich dadurch viele Menschen auch abgestoßen fühlen. Sie versuchen, solche Bilder im Kopf lieber zu vermeiden.

Stellvertreter-Fundraising

Deshalb versuchen andere Organisationen, Menschen nicht direkt mit Tabus zu konfrontieren. Die gute Tat rückt in den Vordergrund, das Thema in die zweite Reihe. Gerade in Corona-Zeiten gab es beispielsweise Livestreams von Künstlern zugunsten von Hospizen. Das Thema Tod ist dabei zweitranging. Das Engagement der Künstler zählt. Da passt es auch, dass diese Künstler ihre eigene Fanbase auf das Thema aufmerksam machen. Ein gelungenes Fundraising-Beispiel sind auch die Kondolenzspenden, die besonders in diesem Bereich sehr gut funktionieren. Es wird quasi als letzte Ehre gesehen, dem Hospiz im Sinne der oder des Verstorbenen eine Spende zukommen zu lassen. Das funktioniert natürlich auch mit Geburtstagsspendenaktionen, bei denen Jubilare auf Blumen und Geschenke zugunsten eines Hospizes oder auch für andere Themen verzichten. Wichtig ist, darüber zu sprechen und solche Aktionen auf der Website mit einem Dankeschön versehen sichtbar zu machen.

Respekt vor dem Sterben

Ein Beispiel, wie das Thema Tod ins Bewusstsein rücken kann und die NGO dennoch Spenden erhält, ist der „Wünschewagen“ des Arbeiter Samariter Bundes, der todkranken Menschen letzte Wünsche erfüllt. Ein medizinisch ausgestatteter Transporter bringt diese Menschen an gewünschte Orte: ins Delfinarium, zu alten Freunden, an die See oder ins Gebirge. Den Spendern ist hier klar, dass diese Menschen unheilbar krank sind und sterben werden. Ihnen den Abschied aber leichter zu machen, also Mitleid oder auch Respekt vor dem letzten Wunsch zu zeigen, ist eine mächtige Motivation für das Fundraising. „Mit dem Wünschewagen schafft man es, über Emotionen ein solches Tabu-Thema wieder näher ranzuholen“, beschreibt es eine Mitarbeiterin des ASB in einem Video. Überhaupt hat sich der Umgang mit dem Tod in den letzten Jahren gewandelt. Dazu haben sicher auch die Allgegenwärtigkeit des Todes in den Medien aber auch in der Werbung beigetragen. Dazugekommen ist das Thema Vorsorge. Gerade in der Corona-Zeit haben viele Organisationen gemerkt, dass die Nachfrage nach Themen wie Testament und Vorsorgevollmacht deutlich gestiegen ist. Deshalb bieten aktuell viele Organisationen auch Gesprächsmöglichkeiten per Zoom, Informationsvideos und sogar Livestreams mit Testamentsberatung an. Hier zählt also der Servicegedanke, der von potenziellen Testamentsgebern dankbar wahrgenommen wird und Tabus aufbricht.

Bildquellen

  • Frau mit Fragezeichen: Aaron Amat, Fotolia.com
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