Ehrenamt weiter gefragt

Das Ehrenamt hat für die meisten Vereine existenzielle Bedeutung. Insofern ist es zu begrüßen, dass auch in Krisenzeiten das Engagement nicht abgenommen hat. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Alterssurveys, die jetzt veröffentlicht wurde.

Die Erhebung des Deutschen Alterssurveys (DEAS) aus dem Winter 2020/21 liefert erstmals Erkenntnisse zum Engagement von über 45-Jährigen in Corona-Zeiten. Danach bremst die Pandemie das ehrenamtliche Engagement von über 45 Jahre alten Menschen in Deutschland nur sehr wenig. Trotz Einschränkungen und Lockdowns sind sie durchschnittlich 4,3 Stunden pro Woche ehrenamtlich tätig, ähnlich viel wie vor der Pandemie. Der DEAS wird vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) durchgeführt.

Auf Basis der Erhebung wurde untersucht, in welchem Umfang sich Menschen im Alter zwischen 46 und 90 Jahren ehrenamtlich in Vereinen, Initiativen oder Organisationen engagieren. An der Befragung von November 2020 bis März 2021 nahmen 5.402 Personen im Alter ab 46 Jahren teil. Die Ergebnisse wurden verglichen mit Befunden aus dem Jahr 2017.

Ehrenamtliche Tätigkeit bleibt stabil

Mit 22,2 Prozent übte ein gutes Fünftel der 46- bis 90-Jährigen im Winter 2020/21 eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Organisation oder Gruppe aus. 2017 lag der Anteil bei 22,6 Prozent und blieb somit stabil.

Menschen im Alter von 66 bis 75 Jahren engagieren sich zu etwa einem Viertel und damit ähnlich häufig wie vor der Pandemie. Sie wenden mit 5,7 Stunden pro Woche auch überdurchschnittlich viel Zeit für ihre ehrenamtliche Tätigkeit auf. Bei den 76- bis 90-Jährigen ist die Quote deutlich niedriger, aber auch in dieser Gruppe engagiert sich noch knapp jede und jeder Fünfte ehrenamtlich.

Julia Simonson, Erstautorin der Studie und Forschungsleiterin des DZA, stellt fest: „Das Ehrenamt erweist sich als krisenresistent. Hervorzuheben ist der hohe Beitrag, den Menschen im frühen Ruhestandsalter leisten, und das gleichermaßen zu Pandemiezeiten wie vorher.“

Von den Einschränkungen der Corona-Maßnahmen und insbesondere den Kontaktbeschränkungen war die organisierte Zivilgesellschaft in Deutschland stark betroffen. Viele Ehrenamtliche konnten ihre Tätigkeit nicht wie gewohnt ausüben. Wie die aktuelle Erhebung des DEAS zeigt, hat dies jedoch nicht zu einem nennenswerten Rückgang des ehrenamtlichen Engagements geführt. Vielmehr zwang die Pandemie Vereine und Einrichtungen, die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Tätigkeiten den Vorgaben der Corona-Maßnahmen anzupassen. Der zeitliche Umfang im Ehrenamt blieb dabei aber weitgehend stabil.

Digitales Ehrenamt

Ähnliche Erfahrungen macht man bei der Stiftung Gute-Tat (Foto). Mit inzwischen knapp 17.000 registrierten Ehrenamtlichen allein in Berlin gehört die Stiftung zu den führenden Ehrenamtsagenturen. „Es ist schön zu sehen, wie sich Menschen auch in schwierigen Zeiten für andere einsetzen und helfen wollen. Um diesem Wunsch gerecht zu werden, haben wir auch digitale Projekte in unser Angebot mit aufgenommen, sodass sich jede und jeder trotz coronabedingter Kontaktbeschränkungen engagieren kann, wenn er das möchte“, so Jürgen Grenz, Gründer und Stiftungsvorstand.

Zu diesen Projekten gehören unter anderen Digital-Patenschaften, bei denen Paten Senioren und Seniorinnen im Umgang mit Smartphones und Tablets schulen. Derzeit kann aus einem Angebot von knapp 400 sozialen Projekten das Wunsch-Engagement gewählt werden. Auch viele Unternehmen würden Mitarbeiter trotz der angespannten Lage für einen Tag freistellen, damit sie sich ehrenamtlich engagieren können.

Eine aktuelle Forsa Studie des Deutschen Caritasverbandes stellte mittlerweile aber auch fest, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nach Meinung einer Mehrheit der Deutschen in der Pandemie abgenommen habe. 37 Prozent der Befragten meinten, der Zusammenhalt hätte „deutlich“ gelitten, 35 Prozent finden, er habe „etwas abgenommen“. Nur 25 Prozent sagen, er habe zugenommen. Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa kommentiert: „Die ständige Bedrohung durch das Virus und die Notwendigkeit, Abstand zu halten, haben die Kräfte erschöpft und das Miteinander in Mitleidenschaft gezogen.“ Sie beklagt ebenfalls, „dass die Frage, wie das Virus am besten zu bekämpfen ist, zu Unfrieden und Spannungen in Kollegen- und Freundeskreisen führt.“

Interessanterweise macht die Caritas aber auch Defizite in der Versorgung für einen Vertrauensverlust verantwortlich. So würden in Ostdeutschland deutlich weniger Menschen die Anbieter sozialer Hilfen als förderlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erleben, als in anderen Teilen des Landes. Im Osten heben nur 45 Prozent der Befragten diesen Beitrag als besonders wichtig hervor, während die Zustimmung im Westen bei 63 Prozent liegt. „Die soziale Infrastruktur – Schuldnerberatungsstellen, Wohnungslosenhilfe und andere Angebote – ist nicht in allen Teilen Deutschlands gleich gut ausgebaut. Das spiegelt sich in den Ergebnissen der Befragung wider“, begründet das Welskop-Deffaa. Dies ist unzweifelhaft auch ein Warnsignal für das Fundraising sozialer Organisationen im Osten Deutschlands. Ihr Engagement ist offenbar zu wenig sichtbar für die Menschen.

Bildquellen

  • Soziales Team-Event „GO2 Market“ der Stiftung Gute Tat: Stiftung Gute Tat
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