Extremismus und NPO

Die diesjährige Alumni-Tagung der Fundraising-Akademie fand sehr großes Interesse. Eingeladen waren die Extremismus-Expertin Judith Faessler und der Psychologe Ahmad Mansour, die über „Extremistische Tendenzen in der Gesellschaft und im gemeinnützigen Sektor“ sprachen. Wie unklar diese Bedrohung ist, zeigte die Diskussion zum sogenannten „legalistischen Islamismus“, die auch viele Fragen aufwarf. Ein Tagungsbericht.

Die Alumnitagung der Fundraising-Akadmie lud Anfang Oktober zu ihrer traditionellen Herbsttagung und hatte wieder ein spannendes Thema: Extremistische Tendenzen in der Gesellschaft und im gemeinnützigen Sektor. Dazu hatte sich der Verein, dem über 300 Absolventinnen und Absolventen der Fundraising Akademie angehören, zwei Experten eingeladen.

Ahmad Mansour ist als arabisch-israelischer Muslim in Israel aufgewachsen, seit 16 Jahren lebt er in Deutschland. Der Psychologe und Autor engagiert sich gegen die Radikalisierung Jugendlicher, gegen Antisemitismus und islamischen Fundamentalismus. 2017 gründete der Berliner die Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention MIND. Judith Faessler ist Orientalistin und Historikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Sie beschäftigt sich dort unter anderem mit Rechtsextremismus. Die Münchnerin ist die Enkeltochter des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer. Faessler und Mansour waren gemeinsam bereits in mehreren Projekten tätig. Es war also nicht von einer kontroversen Diskussion auszugehen. Trotzdem wurde es ein spannender Nachmittag.

Unterwanderung der Demokratie

Erste Erkenntnis: Extremismus ist heute sehr schwer zu erkennen. Als Beispiel dafür führte Ahmad Mansour den „legalistischen Islamismus“ an. Dieser versucht die Gesellschaft zu unterwandern, indem er nicht nur politische Ämter mit Gefolgsleuten besetzt, sondern sich auch in der Flüchtlingshilfe oder im sozialen Bereich engagiert und auch dort Ämter anstrebt.

Ziel solcher Organisationen ist die Abschaffung der Säkularität und die Anerkennung des Islam als Lösung für alle Alltagsprobleme. Dazu zählt auch, demokratische Institutionen zu schwächen, indem man beispielsweise Familienauseinandersetzungen außerhalb der Gerichte klärt und so auch der staatlichen Aufsicht entzieht. Als Beispiel nannte Mansour die Muslimbruderschaft, aber auch Islamic Relief, die sogar Teil der Transparenzinitiative von Transparency International sind, obwohl die Organisation nach den Worten von Mansour in einigen Ländern auch Kontakte zu Terrororganisationen hatte und sich internationale Vorstände antidemokratisch äußerten.

Wehrhafte Verfassung

An diesem Beispiel entzündete sich eine Diskussion. Immerhin war der heutige Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in seiner Funktion als Außenminister 2016/17 Botschafter für die Fundraisingkampagne „Speisen für Waisen“ des Islamic Relief.

Für Judith Faessler liegt hier die Krux darin, dass der Verfassungsschutz erst aktiv werden kann, wenn die Rechte der Verfassung verletzt werden. Das sei bei Islamic Relief Deutschland nicht der Fall. Deutschland hätte im Gegensatz zu vielen anderen Ländern eine sehr wehrhafte Demokratie. Als negative Beispiele nannte sie Frankreich aber auch die USA. Die evangelikale Bewegung dort wäre in Deutschland wahrscheinlich ein Fall für den Verfassungsschutz. In Deutschland würde das Individuum verfassungsrechtlich über jeder Gruppe stehen. Das hatte das Bundesverfassungsgericht im NPD-Urteil bestätigt und so vielen Extremisten den Boden entzogen. Denn diese brauchen die Gruppe um sich abzugrenzen und Feindbilder zu erschaffen. Extremisten gehe es nicht um Mitbestimmung, sondern darum, ihr Weltbild als das einzig Wahre durchzusetzen.

Kooperationen auf demokratischer Basis?

Der Umgang mit Extremisten wie dem legalisierenden Islam und der rechten identitären Bewegung ist das größere Problem. Denn unter dem Deckmantel sozialen Engagements versuchen Extremisten, egal, ob links, rechts oder religiös, Anhänger für ihre Sache zu gewinnen und sie systematisch von Menschen mit anderen Meinungen zu isolieren. Dafür gehen sie auf Vereine und Politiker zu. Rechte Organisationen fielen beispielsweise durch Spendenkampagnen für Tierheime oder ein offensives Eintreten für Kinderschutz auf. Schaut man genauer hin, werden nur deutsche Kinder unterstützt, oder die Spende wird mit einem öffentlichen Auftritt verknüpft.

Mansour und Faessler gaben als Symptome für solche Organisationen an, dass diese zwar sehr offen wirken und an Kooperationen interessiert sind, sich in Wahrheit aber nicht für die Meinung des Kooperationspartners interessieren. „Tritt man dort mit einer klaren Meinung auf, wird man nicht mehr eingeladen“, berichtete Mansour aus seinen Erfahrungen. Schnell würden auch Missionierungsversuche und ausgeprägte Vorurteile gegen demokratische Institutionen deutlich.

Offene Debatte gefordert

Doch ist generelles Misstrauen die Lösung? Gerade da sah Mansour das größere Problem: die fehlende kritische Auseinandersetzung mit solchen Organisationen. „Unser innerer Kompass kann nicht sein, ständig zu schauen, wie eine Meinung bei Rechten ankommt. Dann bestimmen die den Diskurs!“ Einer Vereinnahmung könne man nur durch klare Haltung entgegenwirken. Mansour kritisierte in dem Zusammenhang auch die Verweigerung von Debatten. „Das bedient die Falschen.“

Faessler betonte auch, dass formale Bildung nicht ausreicht, um gerade junge Menschen vor dem Einfluss von extremistischen Tendenzen zu schützen. Schülerinnen und Schüler müssten viel stärker lernen, kritisch zu denken und eine eigene Meinung, einen Standpunkt zu bilden. „Mündigkeit ist der Impfstoff gegen Extremismus“, brachte es Mansour auf den Punkt.

Doch wie nun damit umgehen? Hier zeigte sich Mansour kritisch. „ Der Islam hat sich noch nie in Europa integriert, die Muslime haben sich integriert!“ Seiner Meinung nach vertreten die Muslim-Organisationen gerade mal ein Viertel der in Deutschland lebenden Muslime und könnten so gar nicht für die Gemeinschaft der Muslime sprechen. Der Islam hätte auch noch viele Baustellen in Sachen Demokratie. So gäbe es viele Probleme im Koran, wie das Patriarchat, die Vielehe, die Steinigung und dass Frauen zum Beispiel weniger erben dürften, was mit demokratischen Prinzipien und dem Grundgesetzt nicht vereinbar ist.

Social Media fördert Extremismus

Der letzte Teil beschäftigte sich mit der Verbreitung extremistischer Ideen. Besonders Social Media stand da im Fokus. Judith Faessler meinte dazu, dass man früher mit der Meinung, Angela Merkel sei eine Echse, relativ allein im Dorf war. Heute finden sich über Social Media aber sofort Gleichdenkende die solche Verschwörungstheorien teilen. Verschwörungstheorien dienten auch dazu, die Gruppe zusammenzuschweißen und abweichende Meinungen zu unterbinden. Das werde gerade auch bei radikalen Impfgegnern gerade sehr deutlich, die durch andere Medien kaum noch erreichbar sind. Mansour sieht in Social Media auch die Meinungsvielfalt bedroht. Der Algorithmus bedient immer nur eine Meinung, nicht aber viele, wie das in der Presse der Fall ist. Mansour und Faessler versuchten Mut zu machen, sich mit Extremisten auseinanderzusetzen und öffentliche Gegenpole zu bilden. Die Angst, dann schnell als rassistisch zu gelten, wenn man sich gegen muslimische Organisationen richtet, hielt Mansour entgegen: „Keine Angst, der Islam ist genauso rassistisch wie Sie“, und meinte damit wohl, dass er genauso ausgrenzend sein kann. Die Mehrheit der Muslime sei aber säkular und will einfach nur in Deutschland leben. Kooperationen seien also auf fester demokratischer Grundlage möglich. Vorsicht sei immer geboten, wenn man sich gleich im öffentlichen Raum miteinander zeigen wolle. Mansour empfahl daher, eine Kooperation zunächst schrittweise zu beginnen und nicht gleich Bilder in den Medien zu liefern. Dann würde sich schnell herausstellen, wie ernsthaft die Kooperationsbereitschaft ist.

Bildquellen

  • Podiumsdiskussion: MD
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