Förderlandschaft muss sich ändern

Schon seit vielen Jahren wird das Förderverhalten des Staates und auch von Stiftungen kritisiert. Es sei zu statisch, auf Projekte fixiert und nicht nachhaltig. Eine aktuelle Studie mehrerer Stiftungen unter ihren Förderpartnern bekräftigt diesen Eindruck.

Eine große Mehrheit in Deutschland sieht die Demokratie zunehmend bedroht und befürwortet eine längerfristige Unterstützung der Zivilgesellschaft. Das zeigt eine repräsentative Befragung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Im April und Mai 2023 wurden knapp 2500 Personen in einem Online Access Panel befragt. Ausgangspunkt war die Frage, ob die Demokratie heute stärker angegriffen wird als vor fünf Jahren. Knapp 78,9 Prozent der befragten Personen stimmten dieser Aussage zu.

Förderprojekte vor dem Aus

Nur zwei Monate später wurde bekannt, dass das Justizministerium im Rahmen seiner Haushaltskürzungen ausgerechnet bei Programmen sparen will, die sich gegen Hass im Netz und für mehr zivilgesellschaftliches Engagement und Demokratie einsetzen. Betroffen ist beispielsweise das Projekt „Firewall“ der Amadeu Antonio Stiftung. Das Projekt baute seit 2021 ein erfolgreiches bundesweites Trainer-Netzwerk zur Auseinandersetzung mit Hass im Netz auf und wurde mit rund 260.000 Euro jährlich gefördert. 2024 ist damit Schluss.

„Für uns als Amadeu Antonio Stiftung bedeutet diese Nachricht, dass wir eine erfolgreiche Arbeit nach drei Jahren einstampfen müssen, für die wir keine alternative Finanzierung haben. Wir verlieren nicht nur fünf hochqualifizierte Mitarbeitende und ihr Know-How, sondern auch noch ein bundesweites Netzwerk aus über 110 Multiplikatoren, die überall in Deutschland nach modernsten digitalpädagogischen Standards zum Umgang mit Hass im Netz geschult haben“, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. „Die Arbeit in diesem Bereich wird um Jahre zurückgeworfen. Die engagierten Jugendlichen, die sich gegen Hetze in den Sozialen Netzwerken einsetzen, werden nun allein gelassen, das ist unverantwortlich. Das hat verheerende Folgen in Zeiten, in denen der Umgangston in den sozialen Medien immer rauer wird.“

Dieses Beispiel macht drei Dinge deutlich. Erstens: Auf öffentliche Projektförderung ist kein Verlass. Zweitens ist eine solche Finanzierung nicht nachhaltig, und drittens darf man sich nicht nur auf einen Förderpartner für solche Projekte verlassen. Der Aufbau nachhaltiger Strukturen, die zum Teil selbstfinanziert oder über verschiedenen Quellen fremdfinanziert sind, ist unumgänglich, bei dem Finanzierungsbedarf aber auch schwierig. Deshalb braucht es ein Umdenken in der Förderung.

Studie belegt falsche Förderstrategie

Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie „Stärkung der Zivilgesellschaft durch Kompetenz- und Organisationsentwicklung“ von Anfang des Jahres 2023. Verschiedene Stiftungen, darunter die Stiftung Mercator und die Otto Beisheim Stiftung befragten darin 265 Förderpartner nach ihren Anforderungen und Bedarf im Bereich Organisationsentwicklung.

Bemängelt wurde die gern als „Projektitis“ bezeichnete kurzfristige Projektförderung und stattdessen eine Förderung von Strukturen gefordert, um langfristig wirksamer arbeiten zu können. Die größten Baustellen sahen die meisten Organisationen in einer stabilen Finanzierung und dem zunehmenden Fachkräftemangel. Diese Themen kamen dabei nicht nur von kleinen, sondern auch von großen, langfristig finanzierten Organisationen.

Die Studie zeigt auch, dass sich die befragten Organisationen in ihrer Finanzierung stark auf eine Einnahmequelle fokussieren. Somit besteht eine hohe Abhängigkeit von Stiftungsförderungen. Im Durchschnitt liegt der Anteil der Stiftungsförderung am Finanzierungsmix bei fast 36 Prozent, während der Anteil der öffentlichen Förderung bei nur 25 Prozent liegt. Im Vergleich zu Studien aus den Jahren 2007 und 2017 zeigt sich im Nonprofit-Sektor eine sinkende Quote öffentlicher Finanzierung und ein zunehmender Finanzierungsanteil privater Zuwendungen wie Stiftungsförderungen und Spenden. Besonders deutlich ist das in Förderbereichen wie Kultur, Kinder und Jugend und Bildung.

Stiftungen sollen das Fundraising fördern

Dass sich die Organisationen weiter entwickeln müssen, ist den meisten bewusst. Immerhin fast 78 Prozent gaben an, dass sie Maßnahmen im Bereich Organisationsentwicklung planen. Die Top drei waren: Klärung von Rollen und Aufgaben, Finanzierungsstrategien und Zusammenarbeit im Team. Deshalb verwundert es auch nicht, dass sich die Förderpartner von Stiftungen deshalb Unterstützung in strukturellen Bereichen wünschen. Platz eins der aufzubauen Kompetenzen ist Fundraising/Mittelbeschaffung (71 %), Platz 2 bei der Organisationsentwicklung (69 %) und Platz drei bei Kommunikation, Marketing und Social Media (64 %).

Auch zu Bereichen des Finanzierungsmix wurden Aussagen gemacht: Der Bereich Mitgliedsbeiträge wird wegen seiner sinkenden Attraktivität diskutiert. Einer Steigerung der Eigeneinnahmen stehen verschlechterte Rahmenbedingungen (Nachfrage, staatliche Regulierung) gegenüber. Im Bereich Spenden werden Chancen in digitalen Tools und sozialen Plattformen gesehen, etwa als Basis für Crowdfunding-Strategien. Das Sponsoring schließlich wird mit Hoffnung und Skepsis zugleich belegt: Während einerseits betont wird, dass sich Unternehmen immer weiter für die Unterstützung gemeinwohlorientierter Zwecke öffnen, finden sich ebenfalls Beobachtungen zu einem allmählichen Rückzug aus der Sponsoring-Praxis.

Beispiele für strukturelle Förderung

Es wird spannend zu sehen, wie die Stiftungen selbst auf diese Anforderungen ihrer Förderpartner reagieren. Für denkbare Maßnahmen gibt es schon gute Beispiele. So bietet die Stiftung Mercator auch Trainings zur Organisationsentwicklung an und diskutiert im Programm „Zivilgesellschaft + Philanthropie“ bedürfnisorientiert über eine Philanthropie der Zukunft. Die Deutsche Stiftung Engagement und Ehrenamt hat gerade ihr Förderprogramm 100x Digital neu für das Jahr 2024 aufgelegt. Ziel ist es, deutschlandweit 100 gemeinnützige Organisationen bei ihrer Weiterentwicklung im digitalen Wandel zu unterstützen. Die Interessenbekundung startet am 13. September. Die Bethe-Stiftung fördert schon seit Jahren durch Matching-Funds den Aufbau von Spendenbeziehungen in schwierigen Themenfeldern wie Hospiz und sexueller Gewalt gegen Kinder.

Wenn sich Stiftungen und die öffentliche Hand in ihrer Förderpolitik nicht ändern und flexibler werden, aber auch die NGOs nicht bereit sind, in Fundraising und einen breiteren Finanzierungsmix zu investieren und sich weiterzubilden, wird der gemeinnützige Bereich nach den Studienergebnissen immer größere strukturelle Probleme entwickeln. Gekürzte Programme sind da nur ein sichtbares Ergebnis für wegbrechendes zivilgesellschaftliches Engagement.

Bildquellen

  • Zwei Aktenordner für Projekte und Förderung: stockpics/AdobeStock
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