„Nicht allein die Welt retten!“

Hugo Pettendrup ist Experte für Unternehmenskooperationen. An der Fundraising Akademie leitet er den neuen Kurs Unternehmenskooperation, der im 27. Mai 2024 startet. Wir sprachen mit ihm über Unternehmen, deren Wünsche und den Weg, mit Non-Profits zusammenzukommen.

Was ist für Sie moderne Unternehmenskooperation?

Ich glaube, da hat sich in den letzten Jahren einiges geändert, und es vollzieht sich seit einiger Zeit ein Paradigmenwechsel. Viele gesellschaftliche Herausforderungen können weder vom Staat noch von der Wirtschaft oder dem gemeinnützigen Sektor allein erfolgreich bearbeitet werden. Erfolgversprechend sind dagegen sektorenübergreifende Kooperationen, in denen gemeinsam an sozialen beziehungsweise gesellschaftlichen Innovationen gearbeitet wird – Kooperationen also, in die die unterschiedlichen Akteure trotz ihres unterschiedlichen Hintergrunds und manchmal auch konfligierender Interessen ihre jeweiligen Ressourcen und besonderen Kompetenzen einbringen. Moderne Unternehmenskooperation ist heute nicht mehr Einbahnstraße oder Sackgasse.

Welche Beispiele gibt es dafür?

Gerade erst hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf dem „Petersberger Klimadialog“ auf die Unterfinanzierung der Entwicklungsländer hingewiesen. Sie meinte, dass es dringend mehr privater Investoren braucht, um in diesen Ländern zu mehr Klimaschutz zu kommen. Ein weiteres Thema ist aus meiner Sicht die steigende Migration. Das können einzelne Akteure schon lange nicht mehr allein leisten. Es muss darum gehen, gemeinsame Ziele zu verfolgen, Ressourcen zu bündeln und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Solche Kooperationen können vielfältige Formen annehmen, von Spendenaktionen über gemeinsame Projekte bis hin zu langfristigen Partnerschaften. Letztendlich geht es darum, durch die Zusammenarbeit beider Seiten einen positiven gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.

Worauf kommt es dabei neben den Zielen, den Ressourcen und dem Verantwortungsbewusstsein noch an?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine langfristige Partnerschaft, wo es nicht um ein Spendenstrohfeuer geht, sondern um die Erzielung langfristiger positiver Auswirkungen. Moderne Unternehmenskooperationen zeichnen sich oft auch durch Innovation und Kreativität aus. Die Partner bringen unterschiedliche Perspektiven und Kompetenzen ein, um gemeinsam neue Wege zu finden, um gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Zum Schluss geht es aber auch um Wirksamkeit. Das heißt, es müssen messbare Ergebnisse vorliegen, die den Mehrwert der Zusammenarbeit dokumentieren. Durch regelmäßige Evaluation kann der Erfolg der Partnerschaft nachgewiesen werden.

Das klingt nach Augenhöhe zwischen Partnern. Haben das alle NPO schon verinnerlicht?

Ich denke, viele Non-Profit-Organisationen haben immer bei Firmen so gedacht: „Jetzt gebt uns Geld für unsere wichtigen Aufgaben, und dann lasst uns bitte in Ruhe arbeiten! Wir werden euch auch nicht stören, da ihr so viel zu tun habt.“ Diese Denkweise ist komplett falsch. Sie geht davon aus, dass Non-Profits allein die Welt retten können. Wir müssen dieses Sektorendenken ablegen beziehungsweise reduzieren. Unternehmen wollen nicht erst „am Ende“ kontaktiert werden mit der Vorlage von tollen Hochglanzbroschüren und der Möglichkeit zum Ankreuzen Gold-, Silber- und Bronzepartner. Unternehmen sehen sich nicht als Finanzier. Sie wollen von Anfang an mit eingebunden werden, denn ihre Aktivitäten erfolgen nicht im luftleeren Raum. Sie sind Teil der Gesellschaft, Mitbürger, Nachbar, Stakeholder und wollen vom Anfang an dazugehören. Dann sprechen wir auch von Unternehmenskooperation auf Augenhöhe – nicht am Ende.

Warum ist das Thema Nachhaltigkeit so wichtig?

Nachhaltigkeit ist deswegen so wichtig, weil Nachhaltigkeit wichtig ist … Im Ernst: Die Welt hat sich verändert. Klimakrise, Ungleichheit, Armut, Pandemie – viele Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht, diesen Problemen mehr Aufmerksamkeit zu widmen und selbst nachhaltiger zu werden. Sie reduzieren ihren CO2-Ausstoß, erstellen Systeme zur Wahrung der Menschenrechte in Lieferketten und erhöhen die Diversität ihrer Belegschaften. Diese Arbeit steht erst am Anfang – zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen ist es noch ein langer Weg, der Unternehmen einiges abverlangen wird. Das ganze Instrumentarium unternehmerischen Handelns wird gebraucht, um diese Transformation zu fördern.

Haben das alle Unternehmen schon erkannt?

Ich denke viele. Corporate Citizenship als aktives gesellschaftliches Engagement hat bereits eine neue Bedeutung. Es ist von einer nebensächlichen Aktivität zu einem Experimentierraum nachhaltiger Geschäftsentwicklung geworden. Anders als das Kerngeschäft, das oft an kurzfristigen Renditezielen ausgerichtet ist, erlaubt Corporate Citizenship den prioritären Fokus auf soziale und ökologische Ziele. Unternehmen können ergänzende Netzwerke in Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik aufbauen. Sie können eigene Expertise und Glaubwürdigkeit in wichtigen Nachhaltigkeitszielen entwickeln und nachhaltige Innovationen in Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen vorantreiben.

Das Thema Greenwashing ist aber immer noch da, oder?

Marketinghülsen, neue Beratungsfelder, Selbsterfindung, alter Wein in neuen Schläuchen … Wir mussten vor Jahren bei der Thematik Corporate Social Responsibility, kurz CSR, viel über uns ergehen lassen. Wenn wir heute die Zeitungen aufschlagen, werden Menschen dringend gesucht, die Nachhaltigkeitsexpertise haben. Die Stellenausschreibungen überschlagen sich. Die neuen Gesetze und Direktiven, die am Anfang nur für große Unternehmen galten, haben nun auch bei kleineren und mittleren Unternehmen Einzug erhalten. Environmental Social Governance – ESG, Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und Nachhaltigkeitsberichtspflicht sind nur einige der Stichwörter. Unternehmen haben verstanden, dass nachhaltiges Wirtschaften und damit auch die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung bedeutend für ihren Erfolg sind. Die Nachhaltigkeitstransformation im Kerngeschäft nimmt rasant Fahrt auf, und die Weiterentwicklung von Corporate Citizenship, also dem bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen, hat an Bedeutung gewonnen. Genau hier liegt die große Chance für Vereine, Stiftungen und gemeinnützige Gesellschaften zur Partnerschaft mit Unternehmen.

Und was ist mit der Nachhaltigkeitsdebatte bei gemeinnützigen Trägern?

Auch auf der Seite der gemeinnützigen Organisationen passiert aktuell zum Glück sehr viel. Es ist auch niemandem zu erklären, warum ein großer Wohlfahrtsverband mit tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keinen Fokus auf Nachhaltigkeitsthemen legen soll.

Was ist der Inhalt des neuen Kurses „Referent/-in Unternehmenskooperationen“ (FA) an der Fundraising Akademie?

Vorab ist eines ganz wichtig zu wissen, weil ich glaube, dass es viele in unserer Branche gar nicht richtig mitbekommen haben: Wir haben eine völlig neue Aus- und Fortbildung entwickelt. Die Fortbildung „CSR-Manager/-in“ (FA) hat nicht einen neuen Namen erhalten. Nein, sie wurde komplett neu konzipiert als „Referent/-in Unternehmenskooperationen“ (FA).

Was war der Grund?

Wir waren 2009 die erste Aus- und Fortbildung im Bereich „CSR“ auf dem deutschen Markt. Ein Alleinstellungsmerkmal war unter anderem, dass wir Menschen aus Unternehmen und Menschen aus gemeinnützigen Organisationen in einem Kurs hatten. Das war gut, wichtig und äußerst positiv. Nach vielen erfolgreichen Kursen und weit über 200 zertifizierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern konnten wir eine Entwicklung feststellen, die uns zum Umdenken veranlasst hat. Die Interessen, Bedarfe und Wünsche der beiden Seiten gingen mittlerweile weit auseinander. Die gegenseitigen Fragezeichen wurden immer größer. Deshalb die Neukonzeption.

Was ist jetzt neu am Kurs?

Wir haben eine Aus- und Fortbildung entwickelt, die sich ausschließlich an gemeinnützigen Organisationen und deren Bedürfnissen ausrichtet. Die Module der Fortbildung vermitteln in praxisorientierter Form die Grundlagen und die organisatorischen Voraussetzungen, um Unternehmenskooperationen erfolgreich umzusetzen sowie die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Fundraising mit Unternehmen. Die Teilnehmenden erfahren, welche Instrumente zur Verfügung stehen, welche Kooperationsformen es gibt und wie die Ansprache von potenziellen Kooperationspartnern gestaltet werden kann.

Sie lernen, wie sie strategische Kooperationen aufbauen, die zu Ihrer Organisation passen. Wir zeigen, wie sie Unterstützungsanfragen und -bitten managen und selbst wirkungsvolle Projekte identifizieren. Wir betrachten Best Practice Beispiele, rechtliche Aspekte und passende Formate, wie sie Mitarbeitende von Unternehmen motivieren und einbinden können. Sie lernen, anhand welcher Kriterien sie potenzielle Partnerunternehmen auch mit knappen Ressourcen effektiv analysieren. Und wir beleuchten das große Thema Wirkungsanalyse und -orientierung – mit Blick auf den Business Case wie auch auf den Social Case.

Worauf freuen Sie sich besonders?

Kurz und knapp: auf viele wunderbare Menschen, die genau an dieser Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Unternehmen arbeiten oder zukünftig arbeiten wollen. Es ist eine Aufbruchstimmung, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich mit dieser Thematik auseinander setzen wollen, sind hochgradig motiviert. Da das Thema so eine enorme Bedeutung für Vereine und Stiftungen hat und zukünftig erhalten wird, macht es mir sehr große Freude, diese Menschen auszubilden, sie zu vernetzen und ganz viel von dem Spirit und der Begeisterung zu teilen.

Warum sollte man an dem Kurs teilnehmen? Ich denke, der Bedarf an qualifizierten Personen, die sich mit strategischen Unternehmenskooperationen auskennen und diese professionell umsetzen können ist enorm gestiegen. Die Zielgruppe „Unternehmen“ ist eine Zukunftszielgruppe und hat einen immer größeren Stellenwert im Portfolio der gemeinnützigen Organisationen. Mit dieser Qualifizierung „Referent*in Unternehmenskooperationen (FA)“ geben wir hierauf die richtigen Antworten. Die Teilnehmenden erhalten Wissen aus Theorie und Praxis für die erfolgreiche und wirkungsvolle Zusammenarbeit mit Unternehmen und damit eine spannende Karriereoption in einem Wachstumsbereich von gemeinnützigen Organisationen.

Im Podcast nachhören

Übrigens Hugo Pettendrup hat dem Blog „Neues Stiften“ ein Interview zum Thema Unternehmenskooperation gegeben. Also kann man das hier auch nachhören.

Bildquellen

  • Hugo Pettendrup: privat

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