Vertrauen in andere Menschen stärkt Spendenbereitschaft

Ist die deutsche Gesellschaft gespalten? Glaubt man Medienberichten und der Politik, so könnte der Gedanke aufkommen. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab allerdings jetzt, dass Solidarität kein Fremdwort ist und die Spendenbereitschaft bestimmt.

Schon 2020 hatte eine Studie der Universität Köln festgestellt, dass es eine politische Spaltung Deutschlands nicht gibt. Lediglich zwischen Anhänger*innen der AfD und den Anhänger*innen aller anderen Parteien stellte die Studie eine starke Spaltung fest.

Die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung im Rahmen des Religionsmonitors zeigt nun an einem weiteren Beispiel, dass es um die Solidarität in unserer Gesellschaft weit besser bestellt ist, als öffentliche Debatten uns glauben lassen. Untersucht wurden hier Themen wie Spenden- und Hilfsbereitschaft.

Laut dem Religionsmonitor 2023 haben rund zwei Drittel der Befragten in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten für wohltätige Zwecke gespendet, davon 72 Prozent in Form einer Geldspende. 61 Prozent geben an, dass sie im Falle eines Lottogewinns einen Teil des gewonnenen Geldes für wohltätige Zwecke abgeben würden.

Stark ausgeprägt ist die Hilfsbereitschaft auch immer noch gegenüber Flüchtlingen: Rund drei Viertel der Befragten wären bereit zu helfen, wenn eine geflüchtete Person um Unterstützung bei Behördengängen bittet. Dabei ist die Nationalität nicht entscheidend, denn 79 Prozent würden Ukrainer*innen und 73 Prozent bei Syrer*innen helfen. Jede vierte Person hat sich während des Befragungszeitraums ehrenamtlich für die Gemeinschaft engagiert. „Wir sehen hier, dass die Solidaritätsstrukturen in Deutschland durchaus intakt sind“, erklärt Ulrich Kober, Experte für Integration und Zusammenhalt der Bertelsmann-Stiftung. „Das ist gerade in Zeiten großer Verunsicherung und grundlegender gesellschaftlicher Konflikte eine sehr gute und keineswegs selbstverständliche Nachricht.“

Religiöse Menschen sind solidarischer

Besonders positiv ausgeprägt sind Solidaritätshaltungen bei Personen mit Religionsbezug. „Unsere Zahlen zeigen: Religion ist eine wichtige Quelle für Solidarität“, sagt Yasemin El-Menouar, Religionsexpertin der Bertelsmann-Stiftung. So geben in den Befragungen des Religionsmonitors 70 Prozent der religiösen Personen an, aktiv zu spenden. Zum Vergleich: Bei Personen ohne Religionsbezug sind es 59 Prozent. Dies ist ja unter Spendenorganisationen durchaus bekannt und in der Praxis belegt.

Vertiefte Analysen zeigen zudem, dass schon die religiöse Prägung in Kindheit und Jugend einen positiven Effekt hat und auch im Erwachsenenalter nachhallt, selbst wenn sich die Menschen später weniger mit der Religion verbunden fühlen. Die Hilfsbereitschaft für Geflüchtete ist bei religiösen Personen ebenfalls tendenziell stärker. 73 Prozent der befragten Christ*innen und 88 Prozent der befragten Muslim*innen würden Syrer*innen unterstützen, während es bei den Personen ohne Religionszugehörigkeit nur 67 Prozent sind. Bei der Unterstützung für Geflüchtete aus der Ukraine zeigt sich, dass die Hilfsbereitschaft bei Befragten mit christlicher Religiosität ausgeprägter ist als bei nichtreligiösen Personen: 82 Prozent der Christ*innen würden hier helfen, im Vergleich zu 76 Prozent bei den Menschen ohne Religionszugehörigkeit. Bei den Muslim*innen liegt die Bereitschaft, den meist christlichen Ukrainer*innen zu helfen, bei 72 Prozent.

Vertrauen in Menschen stärkt Solidarität

Der Religionsmonitor zeigt weiter, dass neben dem Religionsbezug das Vertrauen in andere Menschen eine wichtige Rolle für das eigene Solidaritätsverhalten spielt. Während unter denjenigen Befragten, die den meisten Menschen im Allgemeinen vertrauen, 74 Prozent spenden, sind es bei den persönlich eher misstrauischen Befragten nur 52 Prozent. Bei der hypothetischen Spendenbereitschaft im Falle eines Lottogewinns ist der Unterschied enorm: 76 Prozent gegenüber 40 Prozent. Wer also auf die Hilfe der anderen vertraut, ist eher bereit, anderen zu helfen. Das könnte auch mit den sinkenden Zahlen spendender Menschen korrelieren. Denn die Studie ermittelte, dass drei Viertel der deutschen Bevölkerung ein eher pessimistisches Menschenbild haben und überzeugt sind, dass die meisten Mitmenschen nur an sich selbst und nicht an andere denken. Trotz dieser Tatsache handeln sie aber trotzdem noch solidarisch.

Garanten der Solidarität sind für die Befragten nicht abstrakte Einzelpersonen, sondern die Familie (89 Prozent), Nachbarschaft und Freundeskreis (79 Prozent). Übrigens auch der Staat (78 Prozent), der dem möglichen Mangel an individueller Solidarität durch Umverteilung entgegenwirkt. Trotzdem nehmen drei Viertel der Befragten Gerechtigkeitslücken in Deutschland wahr und bezweifeln, dass die sozialen Unterschiede im Land im Großen und Ganzen gerecht sind. „Wenn es Staat und Gesellschaft nicht gelingt, hier gegenzusteuern, droht das Sozialvertrauen zu erodieren“, sagt El-Menouar. „Und das wiederum hätte auf Dauer auch Konsequenzen für das Solidaritätsverhalten in unserer Gesellschaft. Noch zeigt sich ein hohes Maß an Solidarität. Kirchen, Zivilgesellschaft und politische Akteure müssen gemeinsam daran arbeiten, dass dies so bleibt.“

Bildquellen

  • Akademisches-Solidarität: freepik

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner