Die Bürger spenden, die Politik muss handeln

Der Deutsche Dialogmarketing Verband wird dieses Jahr 75 Jahre alt und hat schon so manches im Direktmarketing erlebt. Präsident Patrick Tapp fordert in seinem Gastbeitrag mehr Verständnis für gemeinnütziges Handeln und bessere Regeln für das Spenden im Katastrophenfall.

In den letzten Jahren lenkten Katastrophen und Krisen den Blick auch noch auf etwas anderes: Die große Hilfsbereitschaft der Menschen, sich persönlich und mit Spenden zu engagieren. Diese engagierte Zivilgesellschaft ist Ausdruck einer lebendigen Demokratie, die bei großen Herausforderungen eine beachtliche mediale Wahrnehmung erfährt, aber auch ohne katastrophale Ereignisse ein tragender und elementar wichtiger Pfeiler der gesellschaftlichen Ordnung ist. Jeder dritte Bürger engagiert sich ehrenamtlich in einer der mehr als 600.000 gemeinnützigen Organisationen, Vereinen und Stiftungen. Damit steht Deutschland an der Spitze der EU-Länder.

Spenden fallen nicht vom Himmel

Das große ehrenamtliche Engagement erfährt zu Recht gesellschaftliche Anerkennung und wird durch den Staat durch eine Vielzahl von Begünstigungen im Steuer-, Versicherungs- und im Arbeitsrecht privilegiert. Ohne die vielfache alltägliche Freiwilligenarbeit in sozialen, ökologischen, humanitären, aber auch im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz wären die Herausforderungen schlicht nicht darstellbar. Zudem erreichen weit über fünf Milliarden Euro die gemeinnützigen Organisationen jedes Jahr durch private Zuwendungen, hinzu kommen Stiftungs- und Sponsoring-Aktivitäten. In Katastrophenfällen steigt das jährliche Spendenvolumen noch einmal erheblich, so wurden beispielsweise nach der verheerenden Flut im Jahr 2021 an der Ahr und in NRW über 655 Millionen Euro zusätzlich gespendet.

Die Politik privilegiert zu Recht das Spenden und gemeinnützige Organisationen. Die alltäglichen und die situationsbezogenen Spenden sind aber nicht wie im Märchen vom Sterntaler lauter blanke Taler, die wie Sterne vom Himmel fallen. Das Fundraising oder Sozialmarketing, also die systematische Beschaffung von Mitteln für die gemeinnützige Arbeit und die professionelle Mittelverwendung durch gemeinnützige Organisationen, sind vor dem Hintergrund der enormen finanziellen Beträge und der gleichermaßen großen Verantwortung eine professionelle Managementaufgabe.

Rechtliche Hürden bremsen

Nicht selten sind in der alltäglichen Spendenarbeit rechtliche Hürden insbesondere im Wettbewerbsrecht zu meistern. Vor allem die Regelungen im Gemeinnützigkeitsrecht erschweren die Auszahlung der Hilfen an die Betroffenen. Dringend überarbeitet gehören die Regelungen zur effektiven und zeitnahen Verteilung von Spendengeldern, zum Beispiel an Katastrophenopfer. Nach wie vor ist die „Hilfe für Katastrophenopfer“ nicht vom Zweckkatalog der Abgabenordnung (§ 52 AO) gedeckt. Spendenmittel dürfen danach nicht ausgezahlt werden, weil der erforderliche gemeinnützige Zweck fehlt. Eine absurde Situation, auf die der renommierte Steuerrechtsexperte Rainer Hüttemann hinweist: Das Andenken an Katastrophenopfer würde Hilfsgelder auslösen, die unmittelbare Hilfe an Überlebende hingegen nicht.

Zu mildtätigen Zwecken (§ 53 AO) dürften Gelder auch nur dann fließen, wenn die persönliche oder wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit tatsächlich nachgewiesen ist. Das Gesetz orientiert sich dabei immer noch am Regelbedarf, von denen Fälle, in denen beispielsweise durch die Wiederbeschaffung von Hab und Gut ein Mehrbedarf entsteht, nicht erfasst sind. Ausnahmen von der Bedürfnisprüfung obliegen dann den Anwendungserlassen der Finanzverwaltungen. Insbesondere die sogenannten „Fluterlasse“ werden in diesem Zusammenhang von Hüttemann als dringend überarbeitungsbedürftig erachtet. Für Hilfsorganisationen stellen sich die gut gemeinten Billigkeitsregelungen vielfach als weitere Hürden dar und engen ihre Handlungsspielräume unbillig ein.

Katastrophenhilfe muss gemeinnützig werden

Um diese zu verbessern, ist der Vorschlag Hüttemanns dringend aufzugreifen und die steuerbegünstigte Hilfe für Katastrophenopfer durch einen eigenen Tatbestand in § 53 AO und eine Ergänzung des Zweckkatalogs in § 52 Abs. 2 AO zu verbessern. Aktuell ist es keine nachhaltige Lösung, wenn Finanzverwaltungen durch großzügige Billigkeitsregelungen im Einzelfall das Problem lösen sollen. Es ist den Spendern auch kaum zu vermitteln, dass ihre Hilfe nicht zeitnah oder nur nachgelagert den Betroffenen zugutekommt, wenn andere staatliche Hilfsleistungen nicht oder nicht ausreichend greifen.

Mindestens genauso schwer vermittelbar ist gemeinnützigen Organisationen die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts, jedenfalls dann, wenn das alltägliche Fundraising an den hohen Anforderungen des UWG zu messen ist und die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen vom Einzelfall abhängen soll. Hier wäre der Besonderheit der Spenden in Abgrenzung zu normalen Rechtsgeschäften ausreichend Rechnung zu tragen und entsprechend für Klarstellung durch die Spruchpraxis zu sorgen. Denn rechtssichere Spendenwerbung darf nicht vom Zufall abhängen.

Spenden sind berechtigte Anliegen

Auch die geplante e-privacy-Verordnung muss dem berechtigten Anliegen zur Einwerbung von Spenden durch gemeinnützige Organisationen ausreichend Rechnung tragen. Das Gegenteil würde dem gesetzgeberischen Willen und der gesellschaftlichen Aufgabe des Fundraisings zuwiderlaufen. Die berechtigten Interessen der spendensammelnden Organisationen stehen auch nicht gegen die Interessen der Umworbenen, sondern im Interesse einer engagierten Bürgergesellschaft.

Patrick Tapp steht seit 2014 als Präsident dem DDV, Deutscher Dialogmarketing Verband, vor, der als größter europäischer Kommunikationsverband auch die Interessen Spenden sammelnder Organisationen vertritt. Ehrenamtlich ist er Landesbeauftragter der Malteser für Hessen.

Bildquellen

  • Türkei Erdbeben: Stefanie Glinski/Welthungerhilfe
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