Lobbyregister benachteiligt Dritten Sektor
Das Lobbyregister des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung ist seit 1. Januar online. Bis 28. Februar konnten sich Organisationen eintragen. Ein Blick in der letzten Woche auf das vorbildlich durchsuchbare Register zeigt: Einige Non-Profit-Organisationen fehlen oder meldeten sich erst auf den letzten Drücker an.
Dem Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen VENRO gehören rund 140 deutsche NGOs an. Sie engagieren sich in der privaten oder kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, der Humanitären Hilfe sowie der entwicklungspolitischen Bildungs-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. Und genau mit Letzterem wird es nun schwierig. Denn einen Tag vor Eintragungsschluss hatten sich lediglich 27 der 140 Mitglieder des Verbandes beim Lobbyregister der Bundesregierung registrieren lassen. Auch beim Deutschen Naturschutzring (DNR), dem über 100 Organisationen angehören, waren es nur 20 Organisationen.
DNR-Geschäftsführer Florian Schöne hoffte eine Woche vor Toreschluss aber noch auf Besserung: „Wir gehen stark davon aus, dass sich der Großteil unserer Mitgliedsorganisationen in das Lobbyregister eintragen wird. Das Thema sorgt noch immer für viel Verunsicherung, und der bürokratische Aufwand ist hoch. Die niedrige Zahl der Eintragungen dürfte ganz wesentlich damit zusammenhängen.“ Aktuell will er aber noch keine Zwischenbilanz zu ziehen.
Strafen drohen
Doch was bedeutet das jetzt? Kurz gesagt: Eine Interessenvertretung, die Abgeordnete des Bundestags und Mitarbeiter von Ministerien und der Bundesregierung mit einbezieht, wird nicht mehr möglich sein. Organisationen, die sich trotz Registrierungspflicht nicht eingetragen oder falsche Angaben machen, riskieren eine Strafe von bis zu 50.000 Euro. Abgeordnete sollen auch aktiv nach dem Eintrag im Lobbyregister fragen, bestätigt Geschäftsführerin Larissa Probst vom Deutschen Fundraisingverband.
Alle Angaben im öffentlichen Lobbyregister müssen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung also auch richtig und vollständig sein. Dass die Christoffel-Blindenmission sich eingetragen hat, aber die Namen der angegebenen Großspender nur mit „Privatperson“ angegeben hat, ist nur deshalb möglich, weil diese Großspenden noch im Jahr 2021 erfolgten. Schenkungen im Wert von mehr als 20.000 Euro müssen aber in diesem Jahr mit dem vollen Namen der zuwendenden Person angegeben werden. Gerade diese Regelung kritisieren VENRO, der DNR und der Fundraisingverband, indem sie bezweifeln, dass es hier darum geht, Transparenz über die wesentlichen Personen auf einen Verein oder Verband herzustellen, die Einfluss nehmen wollen.
„Neben den Anlastungs- und Haftungsrisiken bei fehlerhaften Einträgen sind vor allem die Angaben für Zuwendungen von Personen, die aus Gründen ihrer persönlichen Sicherheit nicht in der Öffentlichkeit genannt werden wollen, ein großes Problem“, erläutert Florian Schöne vom Naturschutzring. „Wer an Organisationen mit kritischen politischen Aussagen spendet, darf nicht der Gefahr einer öffentlichen Diskreditierung durch soziale Medien oder ähnlichem ausgesetzt werden.“
Lobbyregister nachbessern
Die Verbände fordern daher, das Gesetz nachzubessern. Dafür sollten sich die Veröffentlichungspflichten für gemeinnützige Organisationen an den Vorgaben der Initiative Transparente Zivilgesellschaft orientieren. Dort müssen nur Personen und Organisationen angegeben werden, die über zehn Prozent der Gesamteinnahmen bestreiten und damit wirklich einen maßgeblichen Einfluss auf die Organisation haben könnten.
Besonders perfide ist, dass Sponsoring nicht als Schenkung gilt, weil die Sponsoren eine Gegenleistung in Form von Werbung erhalten. Gerade mit Sponsoring erzielen Wirtschaftsverbände einen Großteil ihrer Einnahmen und müssen diese positive finanzielle Unterstützung für ihre Verbandsarbeit aber nicht angeben. Das führt an dieser Stelle zu einem deutlichen Missverhältnis. Denn ob eine Person für die Renaturierung deutscher Moore 20.000 Euro spendet oder die Lobbyarbeit eines Verbands sponsert, berücksichtigt das Gesetz nicht. Das Ziel ist egal, und das zeugt wieder von einem falschen Verständnis von Spenden. Denn nur durch eine Zweckbindung auf Lobbyarbeit könnte eine Spende wirklich Einfluss nehmen.
Martina Schaub, Vorstand bei VENRO, befürchtet deshalb auch, dass das neue Lobbyregister zu einer Schwächung der Zivilgesellschaft beitragen könnte. „Die Unklarheiten und Risiken des Lobbyregisters können dazu führen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen ihre politische Betätigung deutlich einschränken und auf eine Beteiligung an Bündnissen oder Aktionen verzichten. Damit würde die Politik dem bürgerschaftlichen Engagement in Deutschland einen echten Bärendienst erweisen“, erklärt Schaub.
Eintragungen auf den letzten Drücker
Ein Blick auf das wirklich vorbildlich erschlossene Lobbyregister einen Tag vor Eintragungsschluss zeigte, dass diese Benachteiligung bereits der Fall ist. Unter den 1.057 Vereinen und Stiftungen waren nur 375, die gemeinwohlorientiert sind und 83 Nichtregierungsorganisationen. Der Rest sind Berufsverbände und andere Netzwerke. Klassische Spendenorganisationen trugen sich erst auf den letzten Drücker ein. Der Eintrag des Caritas-Verbandes sieht wohl auch deshalb sehr chaotisch aus, schaut man sich die Zuwendungsliste des Verbandes an. Auch der Deutsche Fundraising Verband ist erst seit 24. Februar dabei. Insgesamt hatten sich einen Tag vor Registrierungsschluss 1.823 natürliche und juristische Personen eingetragen. Nur zum Vergleich: Auf der bisherigen Liste von Lobbyorganisationen beim deutschen Bundestag standen 2.238 Organisationen.
Eingetragen haben sich beispielsweise der Tafel Bundesverband oder das Medikamentenhilfswerk action medeor, die beide die Angaben zu Spenderinnen und Spendern verweigern und deshalb mit Einschränkungen bei der Lobbyarbeit rechnen müssen. Bei anderen Organisationen wird das wohl 2023 ins Gewicht fallen, wenn sie ihre Zuwendungsgeberinnen und -geber des laufenden Jahres nennen müssen. Bei Ärzte ohne Grenzen wird das beispielsweise über 200 Personen betreffen.
Christian Heyer, Ministerialdirigent, Leiter Unterabteilung ID Deutscher Bundestag und verantwortlich für die Umsetzung des Lobbyregisters, versuchte die Organisationen in einer Fragestunde beim Deutschen Fundraisingverband am 12. Januar 2022 zu beruhigen. Es werde vom Bundestag auch ohne Angaben zu Spenderinnen und Spendern die Beteiligung am parlamentarischen Verfahren wohlwollend geprüft, um keine Benachteiligung entstehen zu lassen. Fakt bleibt aber: Non-Profit-Organisationen werden durch das Gesetz benachteiligt. Sie können ihre Lobby-Funktion nicht uneingeschränkt und gleichberechtigt wahrnehmen, ohne auf Großspenden zu verzichten. Denn dass eine Einwilligung gerade dieser Gruppe vorliegt, ihren Namen zu veröffentlichen, ist angesichts der Verschwiegenheit, die üblicherweise bei dem Thema herrscht, nicht anzunehmen.
Bildquellen
- Flaggen vor dem Deutschen Bundestag: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann