Friss oder stirb? Über die Annahme von Spenden
In einer aktuellen Studie untersuchte der Fundraising Think Tank Rogare, wie sich Verhalten von Fundraisern und Richtlinien auf die Annahme von Spenden auswirken. Die Studie hinterfragt, ob Ethik bei der Entscheidung wirklich eine Rolle spielen sollte.
Die Studie „Take it or Leave it – The Ethics of Gift Acceptance and Refusal“ wurde von Rogare, dem Fundraising Think Tank, in Zusammenarbeit mit dem Chartered Institute of Fundraising durchgeführt. Ziel war es, tiefere Einblicke in die ethischen Überlegungen zu geben, die Organisationen bei der Annahme oder Ablehnung von Spenden berücksichtigen sollten. Die Studie soll so eine fundierte Grundlage für ethische Entscheidungen im Fundraising schaffen, die sowohl praktische als auch theoretische Aspekte umfasst.
In Großbritannien müssen alle Organisationen eine ethische Richtlinie für die Annahme von Spenden vorweisen können. Trotzdem kommt es immer wieder zu Fällen, bei denen die Entscheidungen in Zweifel gezogen werden. Dies sind oft Entscheidungen, die weniger auf der Grundlage einer Schadensbeurteilung oder Beweisen anhand einer Richtlinie getroffen werden, sondern subjektive Bewertungen der Werte und Absichten eines Spenders durch Fundraiserinnen und Fundraiser enthalten. Eine jede solche Entscheidung über eine Spende wird dadurch persönlich und kann in der Folge auch von Treuhändern, den Medien, Regulierungsbehörden oder dem Spender selbst angefochten werden.
Richtlinie als Maß der Dinge
Die Studie betont die Wichtigkeit klar definierter und gut kommunizierter Richtlinien innerhalb von Organisationen, die nicht nur die Annahme von Spenden regeln, sondern auch sicherstellen, dass alle Teammitglieder diese verstehen und anwenden. Solche Richtlinien helfen, Konsistenz bei Entscheidungen zu gewährleisten und die Organisation vor potenziellem Schaden durch öffentliche Kampagnen zu schützen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Studie liegt auf dem Umgang mit Situationen, in denen Fundraiser von etablierten Richtlinien abweichen. Es wird erörtert, wie Organisationen solche Abweichungen handhaben können, insbesondere wenn persönliche moralische Überzeugungen des Fundraisers oder der Fundraiserin ins Spiel kommen. Die Studie schlägt vor, dass professionelle Standards und Richtlinien bei der Beurteilung dieser Fälle Vorrang haben sollten, um die Integrität der Fundraising-Praxis zu wahren.
Ist Ethik wirklich nötig?
Ian MacQuillin, Director von Rogare beschreibt dazu ein hypothetisches Beispiel einer religiösen Wohltätigkeitsorganisation, die eine Spende von einer Person bekommt, die mit Prostitution in Verbindung steht. Auch wenn es völlig kontraintuitiv erscheint, die Entscheidung nicht auf der Übereinstimmung mit den Werten der Wohltätigkeitsorganisation zu stützen, behauptet er, dass man dieselbe Entscheidung aufgrund einer fundierten Schadensanalyse treffen und so subjektive Einschätzungen vermeiden könnte. Das würde für die meisten ethischen Entscheidungen in Fällen von belastetem Geld gelten. „Wir sagen nicht, dass Werte keine Rolle spielen oder nicht spielen sollten in der Ethik der Spendenablehnung. Aber wir fragen, ob sie wirklich in den meisten Fällen benötigt werden“, so der Think-Tank-Chef.
Professionelle Standards über persönliche Ethik
Nach Rogare sollten professionelle Ethikstandards, die Fundraiser befolgen sollten, in der Regel Vorrang haben. Dies ähnelt dem ethischen Rahmen, der von Rechtsanwälten erwartet wird, die im besten Interesse ihrer Klienten handeln müssen, unabhängig von persönlichen Meinungen zu den Handlungen des Klienten. Dies kann besonders herausfordernd sein, wenn persönliche Überzeugungen die Annahme einer Spende beeinflussen, die professionell als akzeptabel gilt.
Für den Umgang mit Konflikten empfiehlt Rogare folgende Punkte:
- die persönlichen Werte dem professionellen Ethos unterordnen und die Spende annehmen
- die Spende aufgrund persönlicher Überzeugungen ablehnen, wobei kritisch hinterfragt werden muss, ob diese Ablehnung tatsächlich im besten Interesse der Organisation ist
- eine Position suchen oder wechseln zu einer Organisation, deren Werte besser mit den eigenen übereinstimmen
Diese Punkte verdeutlichen die Bedeutung einer klaren Trennung zwischen persönlichen Überzeugungen und beruflichen Verpflichtungen, um Interessenskonflikte im Rahmen der Spendenannahme zu vermeiden. Sie betonen auch die Notwendigkeit für Organisationen, klare und nachvollziehbare Richtlinien zu entwickeln, die es Fundraiserinnen und Fundraisern ermöglichen, eine konsistente und objektive Entscheidungsfindung innerhalb der Organisation zu gewährleisten.
Neues Denken in der Fundraising-Ethik
Das Dokument fordert zusätzlich auch zum Nachdenken über neue Ansätze in der Fundraising-Ethik auf, insbesondere im Hinblick auf langfristige gesellschaftliche Auswirkungen und die Klimakrise. Es wird argumentiert, dass Organisationen möglicherweise ihre ethischen Rahmenwerke erweitern müssen, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen adäquat zu adressieren und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, die über die unmittelbaren Bedürfnisse der Organisation hinausgehen.
Mehr dazu in der Studie: https://www.rogare.net/acceptance-refusal
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