Mehrheit will für Klimaschutz zahlen
Dass Klimaschutz im eigenen Haushalt anfängt, lernen wir nun schon seit vielen Jahrzehnten. Eine wissenschaftliche Befragung und ein Experiment decken nun auf, dass die Menschen weltweit viel mehr bereit sind, das Thema anzuerkennen und auch zu finanzieren.
Eine aktuelle Studie von Verhaltenswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Universität Bonn, des Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE in Frankfurt sowie der Universität Kopenhagen kommen erstmals zu dem Ergebnis, dass eine breite Mehrheit der Weltbevölkerung Klimaschutzmaßnahmen unterstützt und auch bereit ist, Kosten dafür in Kauf zu nehmen. Die Ergebnisse dieser Studie, erschienen in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change, basieren auf einer weltweit repräsentativen Umfrage, die in 125 Ländern durchgeführt wurde und für die circa 130.000 Menschen befragt wurden. Demnach sind 69 Prozent der Weltbevölkerung bereit, einen Beitrag von einem Prozent ihres persönlichen Einkommens für den Klimaschutz aufzuwenden – ein beträchtlicher Betrag für den Klimaschutz.
Bereitschaft wird unterschätzt
Während die Regierungen noch darüber streiten, wie man Klimaschutzmaßnahmen finanzieren soll, und dabei die Kosten fehlender Klimawandelanpassung lieber außer Acht lassen, sind die Bürger also bereits weiter. Besonders deutlich wird das in Ländern, die bereits jetzt von Klimawandel stärker betroffen sind. Allerdings zeigt die Studie auch, dass in jedem einzelnen Land die Bereitschaft der Mitbürgerinnen und -bürger, den Klimawandel zu bekämpfen, unterschätzt wird. Denn die Bürgerinnen und Bürger unterschätzen den wahren Anteil derer, die bereit sind, dieses eine Prozent ihres Einkommens zugunsten besseren Klimaschutzes auszugeben um satte 26 Prozentpunkte und mutmaßen, dass also nur 43 Prozent, also nur eine Minderheit, dazu bereit wäre. Dabei sind gerade einmal 26 Prozent weltweit gegen eine persönliche finanzielle Beteiligung.
„Die systematische Fehleinschätzung der Bereitschaft anderer, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, kann ein Hindernis für den erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel darstellen. Menschen, die die öffentliche Unterstützung für den Klimaschutz unterschätzen, sind oftmals weniger dazu bereit, selbst aktiv zu werden“, analysiert Armin Falk, Volkswirtschaftler an der Uni Bonn. Forscher sprechen in dem Zusammenhang von bedingt kooperativem Verhalten. Doch das Weltklima ist ein globales Gemeingut und sein Schutz erfordert die Zusammenarbeit von Menschen auf der ganzen Welt, heißt es in der Studie.
Politik wird gefordert
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass offenbar auch die Politik ihre Wählerinnen und Wähler unterschätzt. Wenn man etwa die aktuelle Debatte in Deutschland um die „Verbotspartei“ der Grünen verfolgt, könnte der Eindruck entstehen, dass mehr Klimaschutz durch Verbote oder Gebote nicht gewünscht sind. Ganz anders stellen das die Forschenden der Studie fest: „Wir dokumentieren in fast allen Ländern eine weit verbreitete Zustimmung zu klimabefürwortenden sozialen Normen“, ergänzt SAFE-Ökonom Peter Andre. Demnach meinen 86 Prozent der Befragten, dass die Menschen in ihrem Land versuchen sollten, die globale Erwärmung zu bekämpfen. „Außerdem existiert eine fast universelle globale Forderung danach, dass nationale Regierungen mehr dafür tun sollten, den Klimawandel zu bekämpfen“, sagt Peter Andre weiter. Sitzen FDP, CDU und CSU also nur am falschen Stammtisch?
Die Forschenden haben dazu eine klare Meinung. „Anstatt die Bedenken einer lautstarken Minderheit aufzugreifen, die jede Form von Klimaschutzmaßnahmen ablehnt, müssen wir wirksam kommunizieren, dass die große Mehrheit der Weltbevölkerung bereit ist, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen und von der Politik erwartet, dass sie handelt. „Der aktuell verbreitete Pessimismus entmutigt und lähmt. Unser Befund legt nahe, dass sich durch mehr Optimismus in Sachen Klimaschutz eine positive Dynamik entfalten lässt“, ergänzt Peter Andre vom SAFE.
Bezeichnend ist allerdings auch, dass in Ländern, die durch die globale Erwärmung besonders betroffen sind, die Bereitschaft, den Klimawandel zu bekämpfen, überdurchschnittlich hoch ist. In Ländern mit einem hohen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist die Bereitschaft hingegen niedriger.
Mehr Dürren, mehr Hitze, mehr Überschwemmungen – wie im auf dem Bild im Ahrtal: Trotz dieser Befunde stellen viele Menschen den Klimawandel in Frage oder leugnen, dass er maßgeblich von Menschen verursacht wurde.
Den Befund dieser Studie unterstützt ebenfalls ein wissenschaftliches Experiment in den USA, an dem 4.000 Personen teilnahmen. Im Zentrum der Experimente stand eine Geldspende in Höhe von 20 Dollar. Die Teilnehmenden wurden per Zufall zwei verschiedenen Gruppen zugewiesen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ersten Gruppe konnten die 20 Dollar zwischen zwei Organisationen aufteilen, die sich beide dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben hatten. Die Personen der zweiten Gruppe konnten sich stattdessen entscheiden, die 20 Dollar nicht zu spenden, sondern für sich zu behalten. Sie bekamen die Summe dann am Ende tatsächlich ausgezahlt. „Wer die Spende für sich behält, muss das vor sich rechtfertigen“, sagt Florian Zimmermann, Ökonom an der Universität Bonn und Forschungsdirektor am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA).
Klimawandel ist real
Tatsächlich entschieden sich die Hälfte der Personen in der zweiten Gruppe, das Geld zu behalten, rechtfertigten das aber nicht mit der Leugnung des Klimawandels. Dieses sogenannte „Motivated reasoning“ hilft Menschen, ihr Verhalten vor sich zu rechtfertigen. Wer zum Beispiel gern mehrfach pro Jahr in den Urlaub fliegt, kann sich beispielsweise einreden, dass das Flugzeug auch ohne ihn abheben würde oder dass ein einziger Flug keinen Unterschied macht. Klimawandel-Leugnung ist also eine Selbsttäuschung „Wir finden in unserer Studie keine Hinweise, dass die weit verbreiteten Fehlwahrnehmungen zum Klimawandel auf diese Art von Selbsttäuschung zurückzuführen sind“, resümiert Zimmermann.
Auf den ersten Blick ist das für die Politik eine gute Nachricht. Die Ergebnisse könnten nämlich bedeuten, dass sich Leugner des Klimawandels durchaus erreichen lassen – einfach, indem man sie möglichst gut und umfassend informiert. Wenn Menschen sich die Realität zurechtbiegen, ist das dagegen kaum möglich.
Klimawandelleugner grenzen sich ab
Zimmermann gießt jedoch Wasser in den Wein: „In unseren Daten gibt es Anhaltspunkte für eine Variante von motivated reasoning, nämlich dass die Leugnung der menschgemachten Erderwärmung zur Identität bestimmter Gruppen gehört“, sagt er. Manche Menschen definieren sich also möglicherweise ein Stück weit dadurch, den Klimawandel zu leugnen. Diese Denkweise ist für sie ein wichtiges Merkmal, das sie von anderen politischen Gruppen unterscheidet. Was die Forschung zu diesem Thema zu sagen hat, ist ihnen daher vermutlich schlicht egal.
Bildquellen
- Studie Klimawandel Ergebnisse: © Andre, P., Boneva, T., Chopra, F, and Falk, A. (2024), Globally Representative Evidence on the Actual and Perceived Support for Climate Action. Nature Climate Change.
- Klimawandelfolgen: Volker Lannert/Universität Bonn