„Gemeinsam Nachlass-Fundraising weiterentwickeln“

André Lersch ist mit der Fundraising Akademie auf vielfache Weise verbunden. Im Interview mit Matthias Daberstiel spricht er über seine vielfältigen Aktivitäten, aber über das Nachlass-Fundraising, und warum man in dem Job sein eigenes Testament machen sollte.

Ich habe deiner Webseite entnommen, dass du mal Referent im sozialen Management und Verlagsleiter warst und Pädagogik studiert hast. An welcher Stelle bist du dann ins Fundraising abgebogen?

An der Stelle, wo ich im Verlag tätig war, in den 90er Jahren und auch Anfang der 2000er Jahre. Wir haben als kirchennaher Verlag in dieser Zeit einige gemeinnützige Organisationen betreut und begleitet. Und da kamen die ersten schon wegen Nachlass-Fundraising, und klassischer Spendenwerbung auf uns zu. Als ich mich nach Informationen umgesehen habe, bin ich schnell bei der Fundraising Akademie gelandet. Viele Kolleginnen und Kollegen aus meinem Fundraising-Manager-Kurs sind bis heute in der Szene tätig und ich eben auch. 2005 gründete ich dann meine Agentur KoSo, was für Kommunikationsberatung und Sozialmarketing steht.

Was magst du an dem Thema Beratung?

Schön ist tatsächlich die Entwicklung, die Professionalisierung, die man so für gemeinnützige Organisationen anstoßen kann. Alle suchen nach Unterstützung, ideell und finanziell. Hier neue Wege der Finanzierung zu erschließen, ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt.

Aber viele Kunden kommen doch auch mit Themen, die es schon vor zehn, 15 Jahren gab.

Das ist richtig, aber die Szene differenziert sich auch immer mehr aus. Es sind immer noch genügend unterwegs, die wirklich noch am Anfang stehen. Aber eben auch immer mehr, die sich weiterentwickeln wollen, die schon lange die Basis gelegt und Erfolge hatten aber nun feststellen: Wir müssen neue Wege finden, neue Tools etablieren. Das merkt man, glaube ich, auf allen Ebenen.

Bekannt bist du auch als Ideengeber und Organisator des Norddeutschen Fundraising Tags. Wie kam es dazu?

Im kommenden Jahr sind das 20 Jahre! Es gab damals einen Impuls von Kolleginnen und Kollegen, so ein Netzwerk zu gründen. Ich war schon durch meine Arbeit im Verlag norddeutsch geprägt: Hamburg, Schleswig, Holstein, Mecklenburg, Niedersachsen. Und so habe ich versucht, dieses regionale Netzwerk sukzessive aufzubauen. Mir ging es darum, auch unabhängig von Strukturen oder einer Mitgliedschaft in irgendeinem Verband oder einem Verein, einen guten Austausch im Fundraising zu schaffen. Das ist, glaube ich, sehr gut gelungen.

Als Alumnus der Fundraising Akademie bist Du auch schon länger Vorstand des Alumni Vereins. Ist es eine dankbare Aufgabe?

(Lacht) Das ist natürlich eine dankbare Aufgabe. Ich mag besonders, dass es uns als Verein immer wieder gelingt, aktuelle und neue Themen aufzugreifen und zu entwickeln. Das ist einerseits interessant, andererseits auch manchmal eine echte Herausforderung, weil wir das nebenberuflich tun und nicht mal eben so nebenbei umgesetzt kriegen.

Was nimmst du persönlich daraus mit?

Für mich ist es die Verbundenheit im Fundraising und die wirklich engen Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen durch die Treffen im Alumni Verein. Gerade im Kollegenkreis, im Vorstand des Alumni Vereins, macht es Spaß sich auszutauschen und Themen für unsere alljährlichen Treffen zu entwickeln und zu planen.

Wie kamst du zum Nachlass-Fundraising?

Wir hatten die ersten Kurse bereits 2015 in Hamburg organisiert. Dafür hatten Ehrenfried Conta Gromberg und ich im Wesentlichen das Curriculum entwickelt. Viele hatten das Thema damals noch nicht im Blick. Das war ein echter Aufbruch-Prozess. Was mich an dem Thema in besonderer Weise reizte, war und ist, die individuelle Begleitung und Betreuung von Menschen und dass hier ganz unterschiedliche Komponenten der Ansprache, der Begleitung und der Profilierung in den Organisationen zusammenkommen.

Gibt es heute immer noch so eine Scheu vor diesem Thema?

Die Scheu hat eindeutig abgenommen. Es ist eher vielleicht eine gewisse Unsicherheit: Wie fangen wir es an? Wie setzen wir es auf? Es gibt halt keine Standarderbschaftsbroschüre, noch die Online-Kommunikation, die für alle passend ist. Mag sein, dass es in den Organisationen, in den Teams unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gibt, aber auch da glaube ich, ist in den allermeisten Organisationen die Scheu gewichen.

Was können die Teilnehmenden vom Kurs Nachlassfundraising erwarten, der am 4. November an der Fundraising-Akademie startet?

Heute ist es so, dass zu uns Personen kommen, die sich beim Thema Nachlass-Fundraising schon mit Grundlagen beschäftigt haben. Es ist nicht völlig neu. In dem Kurs geht es eigentlich um drei Dinge: Den Blick auf die Organisation, die das Thema professionalisieren will. Zweitens den Blick auf die Menschen, die wir da ansprechen und gewinnen wollen. Das betrifft dann eine Auseinandersetzung mit Biografien, mit Werthaltungen der Personen, auf die man sich einlassen muss. Das muss ich bei anderen Maßnahmen im Fundraising nicht tun. Und dann kommt noch das dritte Element, nämlich die eigene Haltung zum Thema Vererben, Testamentsgestaltung und allemal zum Thema gemeinnütziges Vererben. Alles zusammen ergibt erst die nötige Professionalität.

Gerade steigen viele junge Kolleginnen und Kollegen in das Thema ein. Kann man mit 24 Jahren authentisch im Nachlassfundraising sein?

Es ist, glaube ich, nicht zwingend eine Frage des Alters. Ich nehme die Szene mittlerweile als sehr altersgemischt wahr. Viele vertreten dieses Thema auch meist nicht als einziges Thema für die Organisation. Ich glaube, es ist ganz entscheidend, die eigene Haltung wirklich zu klären. Dazu gehören dann eben auch Fragen wie: Was ist mir im Leben wichtig? Für welche Werte stehe ich? Wie kann ich darüber ins Gespräch kommen, wenn das klar ist? Da ist es, glaube ich, für die Gespräche mit potenziellen Nachlassgebern kein Problem, jünger zu sein. Wir haben auch immer wieder Quereinsteiger im Kurs, die dann viel Lebenserfahrung, aber wenig Expertise im Fundraising mitbringen. Das ist für das Kursgeschehen auch sehr wertvoll. Das öffnet Perspektiven.

Hilft es, ein eigenes Testament zu machen?

Absolut! In unseren Fortbildungen leiten wir sogar dazu an, sich darüber Gedanken zu machen, was in so einem Testament für jeden Einzelnen stehen kann und tauschen uns auch darüber aus. Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist auch hilfreich, denn die Frage, ob man selbst ein Testament gemacht hat, kommt auch früher oder später.

Ist das eigene Testament ein Gesprächseinstieg?

Ja, absolut. Die Frage des Testaments ist eben nicht mehr eine Frage des Alters. Wenn wir in unsere eigenen Biografien schauen, haben wir alle Eltern, die sich früher oder später mit dem Thema beschäftigen, das dann auch uns betrifft, und auch im Bekannten-, im engeren oder weiteren Freundeskreis gibt es Menschen, die in jungen Jahren schon versterben. Das Sterben ist nicht eine Frage des Alters. Das hat sich schon ein Stück gewandelt.

Du hast von neueren Entwicklungen in dem Bereich gesprochen. Welche Rolle spielt denn das Internet heute im Nachlass-Fundraising?

Ich denke, gerade die Erstansprache wird sehr viel digitaler werden. Gerade, wenn wir das Thema des gemeinnützigen Vererbens größer machen wollen, kommen wir an der Digitalisierung nicht vorbei. Um über aktuelle Entwicklungen zu sprechen, haben wir deshalb das Expertenforum Nachlass-Fundraising ins Leben gerufen, das am 14. und 15. November zum sechsten Mal stattfindet. Da reden wir über Entwicklungen, Strömungen, Veränderungen im Thema mit Kolleginnen und Kollegen, die neue Wege gehen oder neue Dinge auch ausprobieren.

Welche Themen stehen auf dem Programm?

Wir haben Nicolas Gehrig aus der Schweiz eingeladen und sprechen über die Frage der Digitalisierung bei der niedrigschwelligen Erstansprache. Das zweite Thema sind Immobilien im Nachlassfundraising. Da wird uns Kai Dörfner, der damit sehr viel praktische Erfahrungen gesammelt hat, Rede und Antwort stehen. Die Experten setzen die Impulse, das für alle Teilnehmenden Wertvolle werden aber sicher auch wieder die Gespräche, der Erfahrungsaustausch und die Diskussionen sein.

Liest man Stellenanzeigen, zeigt sich, dass gerade viele Personen im Nachlass-Fundraising gesucht werden.

Ja und viele haben noch gar keine Qualifikation. Es ist oft learning on the job. Das haben diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die damit vor 20 Jahren angefangen haben, aber auch getan. Unsere Fortbildung an der Fundraising Akademie und auch das Experten-Forum bieten da eine gute Möglichkeit, Wissen zu gewinnen oder zu vertiefen. Deshalb haben wir beispielsweise zwischen der zweiten und dritten Kurseinheit bei der Fortbildung auch immer eine Projektarbeit, wo die Kolleginnen und Kollegen miteinander etwas erarbeiten, was einfach auch noch mal verstärkt dazu führen soll, dass sie über den Kurs hinaus miteinander Kontakt halten und Fragen miteinander austauschen. Viele bleiben ja Einzelkämpfer oder -kämpferin im Job. Lasst uns gemeinsam das Nachlass-Fundraising weiterentwickeln. Ich freue mich auf den neuen Kurs und die vielen Kolleginnen und Kollegen beim Experten-Forum.

Bildquellen

  • André Lersch: MD

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