Internationale Hilfe unter Druck

Die Kassenlage der Bundesregierung ist schlecht. Offenbar ein Grund für die FDP, unliebsame Ressorts endgültig loszuwerden. Gemeint ist die Entwicklungszusammenarbeit. Nach riesigen Kürzungen steht das ganze Ressort nun in Frage.

Die Kürzungen im Etat von Bundesentwicklungsministerin Schulze und Bundesaußenministerin Baerbock gleichen einem Kahlschlag. Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) soll um 930 Millionen Euro gegenüber 2023 gekürzt werden. Die humanitäre Hilfe im Etat des Auswärtigen Amtes (AA) wird 478 Millionen Euro weniger zur Verfügung haben

25-30 Prozent weniger Geld bis 2025

Erschwerend kommt hinzu, dass die Finanzplanung für 2025 und Folgejahre weitere drastische Kürzungen vorsieht. Nach VENRO, dem Verband für Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe, droht die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit in dieser Legislaturperiode um knapp ein Viertel und die humanitäre Hilfe um fast 30 Prozent gekürzt zu werden. Diese fehlen mehr als zwei Milliarden Euro sind durch Spenden nicht aufzufangen. Das deutsche Spendenaufkommen liegt bei lediglich fünf Milliarden Euro für alle Zwecke jährlich.

Dabei ist durch Zahlen belegt, dass vorsorgende internationale Hilfe effizient ist. „Mit jedem Euro, mit dem wir heute weltweit Gesellschaften krisenfester machen, sparen die Steuerzahlenden laut Weltbank-Berechnungen später vier Euro an humanitärer Nothilfe“, rechnet eine Sprecherin des BMZ gegenüber n-tv vor. Woher kommt dann die Kritik?

Ein Fahrradweg als Sündenbock

Schuld ist sicher das durch die aktuellen Krisen ausgelöste Haushaltsloch, aber auch das Aufspringen von Politikern auf populistische Forderungen. Scheinbar entzündet hat sich das alles an einem Klimaprojekt in Peru; die unter Autoabgasen leidenden peruanischen Städte sollen zu neuen Fahrradwegen und so zu einer besseren Umweltbilanz kommen. Eine Verpflichtung, die teilweise übrigens noch die Regierung Merkel einging. In einer Debatte zum Haushalt zählte die ehemalige AFD-Abgeordnete Joana Cotar mehrere Projekte der Entwicklungszusammenarbeit auf und prangerte diese „Ausgaben“ an. Darunter auch 315 Millionen Euro für Busse und Radwege in Peru.

Dabei ist die Situation gerade bei dem Projekt in Peru nachweisbar eine ganz andere: Die KfW unterstützt das Land mit bisher rund 308 Millionen Euro. Rund 288 Millionen Euro davon werden in Form von Krediten bereitgestellt, die zurückgezahlt werden. Verzinst natürlich. Die Zahl von 315 Millionen Euro Ausgaben ist also Unsinn. Das meiste Geld fließt an Deutschland zurück. Und laut KfW haben mehrere deutsche Unternehmen im Rahmen des Projekts Beauftragungen in Höhe von insgesamt circa 100 Millionen Euro erhalten.

Entwicklungspolitik als Wirtschaftspolitik.

Das hielt Politiker anderer Parteien nicht davon ab, genauso wie rechte Populisten auf den 315 Millionen Euro Zug aufzuspringen. Rainer Zitelmann (FDP) etwa im Focus, Hubert Aiwanger von den Freien Wählern auf X und natürlich auch der FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner im ZDF mit dem Satz: „Wir können nicht mehr jeden Radweg in Peru mit dem Geld der deutschen Steuerzahler bezahlen.“ Offenbar hat man in der internationalen Hilfe den Schuldigen für das Loch im Bundeshaushalt gefunden. Begründung: ineffizient, dient nicht deutschen Interessen und kostet zu viel.

Verantwortungslose Politik

Dem tritt Åsa Månsson, Geschäftsführerin des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) entschieden entgegen: „Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sind kein ‚nice-to-have‘, sondern die wirksamsten Mittel, die Deutschland hat, um globalen Krisen etwas entgegenzusetzen. Die Folgen von Armut, Kriegen und Klimawandel in anderen Teilen der Welt werden wir auch in Deutschland zu spüren bekommen“, warnt Månsson. „Das ist eine kurzsichtige und verantwortungslose Politik. Kein anderes Land streicht seine internationale Unterstützung derart zusammen. Die Bundesregierung muss sich stärker engagieren, um eine nachhaltige, gerechte und sichere Welt zu verwirklichen.“

Bischof beklagt Desinformation

Misereor-Bischof Stephan Burger beklagt in einem Statement Desinformation und sieht eine Kampagne zur Diskreditierung der Entwicklungszusammenarbeit. Er fordert Politiker aller Parteien auf „populistischen Angriffen entgegenzutreten“. In wenigen anderen Politikbereichen würde seiner Meinung nach so detailliert ausgewertet, wie Gelder ausgegeben werden und was sie bewirken, wie im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. „Lassen Sie nicht zu, dass Deutschland seine Rolle als international geschätzter und glaubwürdiger Akteur verliert“, fordert er die Politik in einem offenen Brief auf.

Auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer Stiftung stellt in einem kritischen Beitrag zur Wichtigkeit der Entwicklungszusammenarbeit fest: „Doch das Absprechen ihrer Daseinsberechtigung ist letztlich ignorant und verkennt die Realitäten globaler Zusammenhänge. Die Wahrung von Wohlstand und Frieden im eigenen Land erfordert auch ein Engagement im Ausland – und hier bildet die Entwicklungszusammenarbeit ein zentrales Puzzleteil.“

FDP: Ministerium auflösen

Das ist für die FDP kein Grund, nicht noch nachzulegen. Das Nachrichtenportal „Politico“ veröffentlichte einen Plan der Bundestagsfraktion, gleich das BMZ in das Auswärtige Amt zu integrieren und so abzuschaffen. Die Idee ist übrigens alt. Schon Hans Dietrich Genscher wollte die von seinem Amtsvorgänger und FDP-Mann Walter Scheel ins Leben gerufene Entwicklungsministerium 2002 ins Auswärtige Amt integrieren. Allerdings um dieses zu stärken und nicht, um deren Mittel zu kürzen.

Liberale Politik steht ja für Wirtschaftsförderung und Selbstverantwortung. Wie das Beispiel des Radwegs in Lima zeigt, konnte hier erhebliche Wirtschaftsleistung gehoben werden, die Rendite stimmt. In Peru und in Deutschland.

Bildquellen

  • Svenja Schulze in Mauretanien: Leon Kügeler/Photothek.net/BMZ

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner