Spenden für Verwaltungskosten

Viele Vereine versprechen, dass 100 Prozent der Spenden ankommen, denn für Verwaltungskosten wird ungern gespendet. Doch das muss nicht so sein. Wir stellen Strategien vor, wie man die Lust dafür wecken kann und praktische Ideen für die Umsetzung.

Von Matthias Daberstiel

100 Prozent der Spende kommen an! Dieser Satz ist immer noch für viele Fundraiserinnen und Fundraiser die einfachste Möglichkeit, Menschen zu überzeugen. Doch damit tun sich die Organisationen keinen Gefallen. Nicht nur professionelle, auch ehrenamtliche Strukturen verursachen Kosten im gemeinnützigen Verein oder der Stiftung. Das reicht vom Büropapier über Internet, Miete, Notarkosten, Porto, Weiterbildung bis zur Versicherung. Und das sind nur einige Posten.

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen empfiehlt nicht mehr al 35 Prozent der Spenden in Verwaltungskosten zu investieren. Die meisten Organisationen liegen aber deutlich unter 20 Prozent. Damit begibt man sich auf den gefährlichen Pfad der Selbstausbeutung und der Überforderung der Organisation. Folgende Strategien sollen den Weg zu Spenden für Verwaltungskosten aufzeigen. Mit diesen Ideen sollen Spenderinnen und Spender besser überzeugt werden, in die Strukturen und Menschen zu investieren, welche die Organisationen tragen und erfolgreiche Projekte erst möglich machen.

Mission und Transparenz

Ehrlicherweise lesen Spenderinnen und Spender fast nie Geschäftsberichte. Diesen zu drucken grenzt schon an Geldverschwendung. Doch wie kann man noch zeigen, dass man Geld für die eigene Verwaltung braucht? Indem man Spenden nicht mehr nur an Projekte bindet. Denn diese Mittel sind dann logischerweise zweckgebunden. Und sie suggerieren natürlich auch, dass 100 Prozent im Projekt ankommen.

Zweckungebundenen Mittel bekommt man aber nur, wenn die Spenderinnen und Spender Vertrauen in die Organisation haben und das Gefühl, dass der Verein schon am besten weiß, wohin das Geld gehen soll. Das ist aber nur durch eine konsequente Kommunikation der Mission und der Ziele des Vereins möglich. Die Mission muss für Außenstehende klar werden. Was will die Organisation, warum verändern und wie tun sie das? Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte für zweckungebundene Spenden. Berichte über die Arbeit und über Menschen in Aktion zeigen, dass Ziele ohne Strukturen nicht zu erreichen sind. Der Verein muss aktiv ein transparentes Gesicht erhalten.

Verwaltungskosten als Wort abschaffen

Wir Menschen haben für vieles Bilder im Kopf. Beim Wort Verwaltung denken viele an Büro, Beamte und Ärmelschoner, aber nicht an Aktivität, Engagement und Effizienz. Dieses sogenannte Framing, dass dem Begriff in unserem Kopf einen gedanklichen Rahmen gibt, entscheidet darüber, wie wir eine Sache kognitiv wahrnehmen. Verwaltungskosten sind also eher schlecht. Andreas Berg hat in einem Beitrag für das Fundraiser-Magazin deshalb den Vorschlag gemacht von Unterstützungskosten zu sprechen, oder noch besser von einem Unterstützungsanteil in der Spende. Unterstützungsbeitrag wäre auch eine Möglichkeit. Im Englischen ist es sogar noch schlimmer. Da ist von Overhead die Rede – „das wächst einem über den Kopf“, meint Andreas Berg und weckt so auch eine negative Assoziation. Um dem Frame zu entkommen, muss man also das Wort ändern, damit der Frame positiv wird. Selbst eine Kampagne wie „I am Overhead“ amerikanischer Fundraiser ist da kontraproduktiv, weil sie den Frame eher verstärkt.

Einfach mitspenden lassen!

Konsequent zu Ende gedacht ist dieses Framing dann, wenn man das Thema Verwaltungskosten quasi der Spenderin oder dem Spender immer mitgibt. Zum Beispiel als Unterstützungsbeitrag oder Mitspende. Wie das funktioniert, zeigen die Spendenplattformen Help Direct und betterplace, die eine „Mitspende“ für die Plattform anbieten und von der immerhin 20 bis 25 Prozent der Plattformnutzer Gebrauch machen sollen. Denkbar wäre auch einen Unterstützungsanteil von vornherein in jeder Spende zu deklarieren. Die Höhe des Anteils dem Spender selbst zu überlassen ist ebenfalls eine sinnvolle Strategie. Meist wird dann mehr gegeben als man sich vorstellt. Beispiele können aber helfen, es sinnvoll einzuordnen.

Statt Kostendenke: Besser effizient sein!

Zu diesem Framing gehört auch ein generell anderer Umgang mit dem Thema Verwaltungskosten. Ein amerikanischer Fundraiser sagte einmal zu diesem Thema: „Hören Sie auf, damit zu prahlen, wie wenig Sie ausgeben. Prahlen Sie damit, wie viel Sie erreichen.“ Es geht also nicht um die Kosten, denn die können von Verein zu Verein, von Thema zu Thema unterschiedlich sein. Als gemeinnütziger Heimatverein managen sie beispielsweise kein Fremdwährungsrisiko wie eine Entwicklungshilfeorganisation, die dafür Experten braucht. Es geht darum, wie effizient das Spendengeld ausgegeben wird. Das macht erst einmal Arbeit und verursacht auch Kosten für Controlling, Buchhaltung und Software. Aber es stärkt ungemein die Identifikation mit den Spenderinnen und Spendern, wenn damit gezeigt wird, wie professionell und transparent man arbeitet.

Gebe-Logik verändern

Eine weitere Strategie hat Kai Fischer in einem Blogbeitrag veröffentlicht. Verändern Sie die Gebe-Logik! So muss zum Beispiel das Sammeln von Pfandbechern auf einem Event für den guten Zweck nicht zweckgebunden sein. Es reicht, wenn draufsteht für wen da gesammelt wird. Eine positive Vorstellung des Vereins auf der Eventseite hilft mit Stichwörtern wie „Wichtige Arbeit“, „Engagement für die Region“ oder „Hilfe für Andere“. Das geht natürlich einfacher mit einem missionsgetriebenen Markenaufbau. Es funktioniert aber auch für kleine Organisationen, die man einfach vor Ort kennt. Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise Spendenläufe, Benefizkonzerte, Anlassspenden oder Auktionen.

Glaubwürdiger Stellvertreter sein

Transparent zu sein ist das Eine, Vertrauen aufzubauen das Andere. Und das geht nur über gute Arbeit und Kommunikation. Ein Beispiel ist ICAN – International Campaign to Abolish Nuclear Weapons. Schon der Name ist kompliziert und auch die Tätigkeit. Sie besteht darin, öffentlichkeitswirksame Kampagnen gegen die Atom-Lobby und Rüstungsindustrie zu fahren. Lucero Oyarzun, Koordinatorin für digitale Kampagnen sagte dem Fundraiser-Magazin zu ihren Kampagnen: „Wir erzählen interessante Geschichten, die sich um Menschen drehen: von Menschen, die die Auswirkungen nuklearer Waffen erleben mussten und von denen, die hinter dieser Kampagne stecken. Wir bemühen uns darum, auf unseren Kommunikationskanälen deutlich zu machen, dass uns bereits eine Menge junger Leute unterstützen und dass junge Leute hier eine ganz große Rolle spielen können.“

Die Organisation bietet also zur Zielgruppe passende Stellvertreter an, die für das Ziel der Organisation stehen. Viele Spenderinnen und Spender haben nicht die Zeit und vielleicht auch nicht den Mut, sich so zu engagieren wie die Campaigner von ICAN, aber sie können Geld geben, damit diese Arbeit finanziert wird. So entsteht eine über das Projekt hinausgehende Motivation und Denkweise bei den Gebenden.

Dauerspender gewinnen

Warum geben Menschen regelmäßig Geld? Wenn sich der Verein diese Frage stellt, ist er schon auf dem besten Weg Förderinnen und Förderer zu gewinnen, die sich mit einer Organisation und damit auch deren Kosten identifizieren. Für Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. war das klar. Menschen wollen aktiven Klimaschutz. Doch auch dafür braucht es Menschen, die dafür arbeiten. Deshalb wagte der Verein mit der Einführung einer „Förderspende“ Neues. Diese ist eine klassische Lastschriftspende. Sie ist jederzeit kündbar oder in der Höhe anpassbar und kommt den flexiblen Nutzungsgewohnheiten jüngerer Zielgruppen entgegen. Eine Jubiläumskampagne wurde als Ausgangspunkt genutzt, um einen Spenderstamm für zwei Personalstellen aufzubauen, die aktive Klimapolitik in der Stadt Leipzig betreiben sollten. Der Verein verknüpfte also geschickt die Projekterwartungen an die Person und warb darüber regelmäßige Spender, die länger als üblich bei der Organisation verbleiben. Das verriet Geschäftsführer Nico Singer dem ngo-dialog der Fundraising-Akademie im Interview. Sein Fazit: „Die Förderspende ist bisher ziemlich gut angekommen. Hier sehen wir eine deutlich höhere Dynamik als bei den Mitgliedschaften.“

Von der Spende zum Investment

Es ist manchmal schwieriger, viele von seiner Mission zu überzeugen als einen. Doch der eine sollte dann so potent sein, dass seine Spende die Organisation echt weiterbringt. Große Spenderinnen und Spender wollen den Unterschied machen. Das heißt auch, dass man mit ihnen anders sprechen muss als mit Kleinspendern. Ise Bosch, die Enkelin des Firmengründers Robert Bosch hat das in ihrem Buch „Besser Spenden!“ auch deutlich gemacht. Wenn schon spenden, dann richtig. Das heißt, nicht nur in die Projekte, sondern auch in die Strukturen zu investieren. Und möglichst so, dass sich diese später aus Erträgen selbst tragen. So investiert die Mäzenin aktuell in Häuser in denen Menschen aus der LGBTQI-Bewegung ein sicheres Zuhause finden, die es sonst auf dem Mietmarkt schwer haben. Die Erträge aus deren Mieten fließen wieder in die Organisation zurück. Dieses Impact-Investing ist kein Tropfen auf den heißen Stein, sondern legt den Grundstein für die Zielerreichung der Organisation durch soziales Unternehmertum.

Gewinn machen

Eine weitere Möglichkeit, sich unabhängiger von Spendengeldern zu machen und die laufende Arbeit zu finanzieren, sind alternative Einnahmen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder Zweckbetrieb. Dazu kann auch Merchandising gehören, oder wie im Fall von Project Wings, einer Initiative zur Errichtung eines Recyclingdorfes, sogar ein eigener Wingslife-Online-Shop. „Wir haben einfach gemerkt, dass unsere Unterstützer, die das größte Recyclingdorf auf Sumatra mit ihren Spenden finanzieren, auch ökologisch einkaufen wollen und haben einen Shop konzipiert, der eigene und durch uns geprüfte nachhaltige Produkte bereitstellt. Aus dem Gewinn der Verkäufe finanzieren wir einen Teil unserer Verwaltungskosten“, erläutert Initiator und Geschäftsführer der Hilfsorganisation Marc Helwing. Außerdem erzielt die gGmbH noch Gewinne aus Beratung anderer Organisationen und weiteren Geschäftsfeldern. Gewinn ist also nichts Schlechtes, wenn er wieder der guten Sache zugeführt wird. Vereine sollten aber darauf achten, dass die Gewinnerzielungsabsicht nicht überwiegt oder das Geschäft gleich in eine gemeinnützige Tochterfirma überführen. Das hat den Vorteil, dass der Unternehmensgewinn dann in die Vermögensverwaltung des Muttervereins fließt und dort für Verwaltungskosten eingesetzt werden kann.

Mut zur Kommunikation

Es wird immer Spenderinnen und Spender geben, die sich vom 100-Prozent-Prinzip leiten lassen. Auch das haben internationale Studien ergeben. Wenn kommuniziert wird, dass ein Großspender die Kosten übernimmt, steigt die Spendenbereitschaft. Doch dieser Anreiz führt in die falsche Richtung. Mit der 100-Prozent-Aussage spart sich die Organisation über kurz oder lang kaputt, weil schon die Quote von 20 Prozent Verwaltung für die meisten Organisationen zu wenig ist, um effektiv arbeiten zu können. Da hilft es auch nicht, das Klopapier den Projektkosten zuzuordnen. Spenderinnen und Spender der jüngeren Generation erwarten Professionalität und sind kritischer. Sie sind mit gemeinsamen Zielen, transparenten Argumenten, guter Kommunikation und sinnvollen Konzepten besser zu überzeugen.

Bildquellen

  • Alter Lexikoneintrag: pxhere.com

3 Kommentare zu „Spenden für Verwaltungskosten

  • 4. Mai 2021 um 12:16
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    Lieber Matthias,
    Danke für diesen Artikel. Ich plädiere ja ebenfalls schon lange für einen selbstbewussteren Umgang mit dem VK-Anteil. Gerade jüngere Spender*innen sind offen dafür – sofern man es sinnvoll erklärt. Das Wort „Unterstützungsanteil“ überzeugt mich aus kommunikationspsychologischer Sicht leider nicht vollständig: 1. Es ruft nicht zwingend positive Assoziationen hervor, sondern bestenfalls neutrale, schlimmstenfalls wird es genauso trocken, verwalterisch empfunden, weil es ebenfalls nach Amtsdeutsch klingt. 2. Es ist zu erklärungsbedürftig. Leider ist mir bisher aber auch noch nichts Besseres eingefallen 🙁
    Ein schönes Beispiel für eine positive Rahmung (Framing) des negativ/dröge assoziierten Begriffs findet sich bei Viva vom Agua (Zitat Webseite unter „Transparenz“): „Wir […] feiern unsere Verwaltung! Denn: Ohne Verwaltung gäbe es kein Viva con Agua und keines unserer Projekte.“ Sie bringen hier das Wort „feiern“ in Verbindung mit Verwaltung (im Folgenden fallen dann noch die Worte effizient und transparent). Wenn das alle NGOs konsequent machen würden, könnten sich die Assoziationen auch ändern – zumindest für unseren Sektor.

  • 4. Mai 2021 um 12:52
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    Liebe Danielle,
    richtig, es ist falsch das Thema totzuschweigen. Das Wort Verwaltung weiter zu nutzen, macht es aber auch nicht unbedingt besser. Die negative Assoziation bleibt, auch wenn sie durch das „Feiern“ gebrochen wird. Das braucht einen langen Atem. Deshalb mein Denkanstoß zu diesem Thema.
    Matthias Daberstiel

  • 5. Mai 2021 um 18:09
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    Ohne eine professionell aufgestellte Verwaltung sind bei uns schlichtweg keine Projekte umsetzbar. Und ohne Projekte keine effiziente Hilfe zu leisten. Ich persönlich habe in diesem Kontext auch noch nie verstanden, dass Förderstiftungen i.d.R. keine Personalkosten finanzieren. Ein Umdenken im Markt m.E. ist dringend notwendig.

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